
Begrenzte Freizügigkeit
Freizügig? Reisen in sozialistische Bruderländer
Wohin durfte man reisen? Reisen in sozialistische Bruderländer – grundsätzlich möglich, aber…
„Sozialistische Bruderländer“ war in der DDR die Bezeichnung für die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten. Sie waren die einzigen Reiseziele im Ausland, die DDR-Bürger*innen prinzipiell offenstanden. Nicht der Staat entschied, ob man reisen durfte (wie bei Westreisen), sondern man konnte selbst entscheiden, ob man in eines der Bruderländer reisen wollte. (Dass man dann nicht immer auch eine Unterkunft bekam, ist eine andere Sache).
Wegen des sonnigen Klimas waren besonders Bulgarien und Ungarn beliebte Reiseziele. Das Traumziel Kuba war zwar auch im Angebot, unterlag aber besonderen Beschränkungen und die wenigen Plätze waren schnell belegt.
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Uneinigkeit besteht über die Freiheiten, die man sich im Urlaub herausnehmen konnte.
Es gibt beispielsweise ein Phänomen der sogenannten „Transitniks“. Das waren studentische Reisende, die im Rahmen einer Auslandsreise oder während eines Studienaufenthalts in der Sowjetunion auf eigene Faust losgewandert sind, um das große Land privat zu besichtigen. Das war eigentlich sowohl von Seiten der DDR als auch der Sowjetunion verboten. Es hat trotzdem Leute gegeben, die das gemacht haben.
Streitpunkt ist nun der Umfang dieser „Bewegung“ und inwiefern hier von einer priveligierten Rolle gesprochen werden muss, denn zuerst musste man ja in die Sowjetunion reisen dürfen.
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Wohin durfte man reisen? Reisen in sozialistische Bruderländer – grundsätzlich möglich, aber…
Die Sektion möchte einführend lediglich die Urlaubsmöglichkeiten in den sozialistischen Bruderländern aufzählen.
Materialspalte:
- Die erste Fotogrpahie und die zugehörige Bildunterschrift dienen der Erläuterung, was sozialistische Bruderländer sind.
- Die zweite Fotogrphie zeigt die DDR-Airline.
Das „Reisebüro der DDR“ als Stasi-Zweigstelle bzw. -Auskunftei?
In der DDR gab es nur ein Reisebüro mit Filialen in der gesamten Republik. Das „Reisebüro der DDR“ war eine staatliche Institution und wurde von der Stasi kontrolliert. Einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildete der Tourismus in das sozialistische Ausland. Die Grundlage dafür waren Verträge mit den Reisebüros der anderen sozialistischen Länder, die regelten, wie viele Reisende von dort die DDR besuchen und wie viel Personen aus der DDR Urlaub in dem anderen Land machen durften.
Die Reisen erfolgten in Gruppen bis 40 Personen. Für jede Gruppe gab es eine*n ehrenamtlichen Reiseleiter*in. Die Reiseleitung war für organisatorische Fragen zuständig und wurde vor Ort von ausländischen Reiseleiter*innen unterstützt. Die Stasi versuchte gezielt, Reiseleiter*innen als IMs anzuwerben. Die „IMs Ausland“ durften sich ihre Reiseziele aus verschiedenen Vorschlägen ihres Führungsoffiziers aussuchen. Aufgaben waren z.B. verdächtige Mitglieder ihrer Reisegruppe besonders im Auge zu behalten sowie Westkontakte und Verstößen gegen das Zollgesetz grundsätzlich zu melden. Nach der Heimreise musste Bericht erstattet werden.
Vor Ort wurde die Stasi vom Auslandgeheimdienst unterstützt. Dazu gab es Verträge zwischen den Staaten.
Historischer Kontext
Für die organisierte Auslandsreise war das Reisebüro der DDR und Jugendtourist zuständig. Diese Reiseangebote führten bis in die Mongolei oder nach Jugoslawien, nach Bulgarien und in die anderen „sozialistischen Bruderländer“. Sie waren nicht billig, aber auch nicht unerschwinglich. Vor allem aber waren es viel zu wenige. Wer eine Reise ins Ausland ergattert hatte, konnte davon ausgehen, dass es in seiner Reisegruppe mindestens einen Teilnehmer gab, der im Dienste des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) unterwegs war. Allein diese Tatsache hielt viele DDR-Bürger davon ab, überhaupt erst einen Antrag beim Reisebüro zu stellen.
Heidrun Braun, Urlaub auf Balkonien war keine Option, https://www.vdrj.de/urlaub-auf-balkonien-war-keine-option/
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https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/53573/das-reisebuero-der-ddr/
Neben Gruppenreisen waren auch Individualreisen ins sozialistische Ausland für DDR Bürger*innen verfügbar. Mehr zu den Möglichkeiten von Auslandsreisenden findet sich in diesem auf der Website der Uni Leipzig veröffentlichten Online-Beitrag.
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Das Reisebüro der DDR als Stasi-Zweigestelle bzw. -Auskunftei?
Zunächst möchte diese Sektion das „Reisebüro der DDR“ als weitere staatlich kontrollierte Organisation vorstellen. Was staaliche Organisation im Fall des Reisens bedeutet, wird an den dort geltenden Regularien, der Mitwirkung der Stasi und der Zurhilfenahme der Auslandsgeheimdiensten verdeutlicht.
Die Materialspalte enthälte eine illustrative Fotographie einer Papiertüte des DDR-Reisebüros und führt exemplarisch einen Bericht zu einem Stasieinsatz während eines Urlaubes an.
Und als Jugendlicher? Reisen mit der Jugendtourist
Für Jugendliche unter 25 Jahren gab es in der DDR einen eigenen Reisedienst namens „Jugendtourist“. Dieser war Teil der FDJ und bot Reisen im In- und Ausland an, wobei Auslandsreisen natürlich am beliebtesten waren. Die Reisen waren verhältnismäßig billig, was sich unter anderem aus den Übernachtungen in Jugendherbergen und ähnlichen preisgünstigen Übereinkünften ergab.
Nur FDJ-Mitglieder kamen in den Genuss solcher Reisen und selbst unter ihnen nur wenige Auserwählte. Man konnte sich zwar auf eine Wunschreise bewerben, wohin die Fahrt am Ende aber wirklich ging wurde von Jugendtourist bestimmt. So konnte aus dem Wunsch-Urlaub in Bulgarien leicht eine Reise in die Sowjetunion oder ein Zelturlaub in der Mecklenburgischen Seenplatte werden. Lehnte man die angebotene Reise ab, wurden Bewerbungen in Zukunft nicht mehr berücksichtigt.
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Und als Jugendlicher? Reisen mit der Jugendtourist
Diese Sektion ist eher deskriptiv gehalten, aber betont, dass nicht die Jugendlichen selbst die Entscheider über Reiseziel und -ablauf waren.
In der Matrialspalte finden sich zwei Werbungen von „Jugendtourist“.
Kreuzfahrten – ein Privileg für „verdiente Werktätige“
Ein Sinnbild der Sehnsucht nach der Ferne und dem Reisen ist die Kreuzfahrt. Auf dem Schiff das Leben genießen, rundum die Weite des Meeres. Vielleicht hat die westdeutsche Serie „Das Traumschiff“ (ab 1981) diese Sehnsucht noch weiter befeuert.
Aber schon vorher gab es in der DDR Kreuzfahrten für „verdiente Werktätige“. Anbieter war der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Dazu wurden drei Schiffe von der Deutschen Seereederei Rostock betrieben. Die Reisen gingen in die Ostsee und das Schwarze Meer, denn auch auf Kreuzfahrt durften DDR-Bürger*innen nur ins sozialistische Ausland reisen.
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Ausschnitt aus einem Beitrag des NDR. Der genannte und zitierte Reinhard Brandt war auf der MS Völkerfreundschaft Steward gewesen:
Im September und Oktober steuert das Schiff südliche Gefilde an. Ihre Rundreisen durchs Schwarze Meer führen es von Varna über Jalta nach Sotschi und wieder zurück. „Später hat man das verkürzt, weil man diese Fahrten durchs Mittelmeer nicht mehr wollte. Da durften dann ja nur ganz bestimmte Leute mitfahren.“ Denn stets fährt bei den Staatsrepräsentanten – ein Politoffizier der Staatssicherheit ist immer mit an Bord – die Angst mit, Passagiere oder Besatzungsmitglieder könnten die Gelegenheit zur Flucht nutzen, was in einigen Fällen auch geschieht. „Deshalb hielten bei engen Passagen wie etwa der Durchfahrt durch den Bosporus immer Leute von der Besatzung Wache, dass keiner über Bord springt“, sagt Brandt.
NDR; Die „Völkerfreundschaft“ – Urlauberschiff der DDR; https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Die-Voelkerfreundschaft-Urlauberschiff-der-DDR,voelkerfreundschaft102.html
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Kreuzfahrten – ein Privileg für „verdiente Werktätige“
Diese Sektion bescrheibt das Kreuzfahrt-Privileg. Es soll verdeutlicht werden, wem dieses Privileg zukommt – also wer reisen darf (verdiente Werktätige) und wer entscheidet (der der SED zugehörige Freie Deutsche Gewerkschaftsbund).
In der Materialspalte sind zwei der drei Kreuzfahrtschiffe der DDR zu finden.
Was hat der Aufstand der polnischen Solidarność mit Reisen in der DDR zu tun?
In die unmittelbaren Nachbarländer Polen und die Tschechoslowakei zu reisen, war ab 1972 für Bürger*innen der DDR ohne großen Aufwand und ohne Visum möglich. Allerdings wurde die Reisefreiheit in Richtung Polen ab 1980 aufgehoben. Den Aufstand der Gewerkschaft Solidarność nahm die DDR-Führung zum Anlass, den Grenzverkehr zu erschweren. Auf Drängen der Ost-Berliner Regierung wurde ein Abkommen mit Polen unterzeichnet, das private Reisen nur bei persönlicher Einladung möglich machte, wenn persönliche Einladungen vorlagen. Diese mussten von der örtlichen Polizei und von der Miliz in Polen genehmigt werden.
Trotzdem der Einschränkungen blieb Polen ein beliebtes Reiseland: Das Leben dort war freier als in der DDR. Jugendliche konnten trampen, ohne Angst vor der Polizei zu haben, in Studentenwohnheimen übernachten, ohne die übliche Anmeldeprozedur. In jeder polnischen Stadt gab es Buchhandlungen mit westlichen Titeln, in „Presseklubs“ konnte man westdeutsche Zeitungen lesen und in den Kinos liefen die neuesten Hollywood-Filme. Zudem war die DDR-Mark mehr wert als in den meisten anderen Ostblockländern. Man konnte in der DDR begehrte, teure Produkte einkaufen.
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Was hat der Aufstand der polnischen Solidarność mit Reisen in der DDR zu tun?
Dass Reisen in die sozialistischen Bruderstaaten immer auch ein Politikum waren, wird in dieser Sektion am Beispiel des Reiselands Polen gezeigt. Der visafreie Reiseverkehr wird stark eingeschränkt, als in den 1980er Jahren, angetrieben von der Gewerkschaft Solidarność, Demokratisierungsbemühungen Raum griffen, die nie mehr zurückgedrängt werden konnten, auch nicht durch das ausgerufene Kriegsrecht.
In der Materialspalte findet sich eine Fotographie des Streiks vor der Danziger Leninwerft der Gwerkschaft Solidarność, die die Massen der Streikenden zeigt.
(Querverweis: Teilnahmezwang nicht aushalten wollen – ein mächtiger Motor der Veränderung; der Blick nach Polen)
Links zum Thema
https://research.uni-leipzig.de/fernstud/Zeitzeugen/zz177.htm
Bericht eines ehrenamtlichen Reiseleiters
https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/53573/das-reisebuero-der-ddr/
(Ein Schwerpunkt liegt auf Auslands IMs, die in Zusammenhang mit dem Reisebüro der DDR stehen)
Wir haben eine Auswahl an Kapiteln getroffen, die besonders gut zu deiner Profilauswahl passen, die du am Anfang gemacht hast.
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Das Abschlusskapitel solltest du aber auf keinen Fall verpassen, weil es die einzelnen Aspekte des Themas noch einmal zusammenfasst.