
Begrenzte Freizügigkeit
In den Westen reisen dürfen – Privileg von Wenigen
a) Antrag auf Ausreise
b) Reisekader Sport
Zum „Reisekader“ Sport gehörten neben den Spieler*innen und den Funktionär*innen manchmal auch „Fans“, etwa bei der Fußball-WM 1973 in der Bundesrepublik .
c) Reisekader Wissenschaft
Auch Wissenschaftler*innen durften reisen. Wer an welchen Tagungen teilnehmen durfte – darüber entschieden auch private Lebensumstände.
Was sind Reisekader? – Warum durften sie in den Westen reisen?
In den Westen reisen durfte man nur, wenn man bestimmte Funktionen für den Staat inne hatte. Dieses konnten zum Beispiel politisch, wissenschaftlich oder wirtschaftlich sein. Es konnte aber auch um die Repräsentation der DDR im Sport oder der Kulturszene gehen. Denkbar waren auch betrieblich-berufliche Gründe.
Die Funktion allein reichte aber nicht. Der SED-Staat wollte sicher sein, dass die Menschen, die in den Westen reisen durften, auch wieder zurückkamen. Deshalb wurden sie vorab aufwändig auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Dafür war die Stasi zuständig, die allerdings auf Informationen vieler Zuarbeiter*innen zurückgreifen konnte. Die in den Betrieben geführte „Kaderakte“, eine Art Personalakte, war zum Beispiel eine wichtige Informationsquelle. Einbezogen wurde auch der Abschnittsbevollmächtige, der Volkspolizist also, der für den Wohnbereich des Kandidaten zuständig war. Weitere Informationsquellen konnten die Massenorganisationen sein, denen der Kandidat angehörte; auch dort wurden Personalakten geführt.
Wer die Prüfungen positiv durchlaufen hatte, gehörte zum „Reisekader“, zu den als zuverlässig genug eingestuften DDR-Bürger*innen, die in den Westen reisen durften.
Der Status als Reisekader konnte jederzeit wieder entzogen werden. Dazu musste es nicht einmal zu einem Zwischenfall gekommen sein. Wer für das Regime nicht mehr nützlich erschien, durfte nicht mehr in den Westen reisen.
Weitere Materialien
Die Puhdys waren Reisekader und durften zu großen Rockkonzerten in den Westen.
Später, als wir richtig Erfolg hatten. Aber immer allein, nie in Begleitung der Frauen. Und zu allen Konzerten durften wir nicht: Wir wollten unbedingt die Rolling Stones sehen, aber da war nichts zu machen. Die waren ja fast Staatsfeinde, die wurden nicht im Radio gespielt. Also haben wir die Apparatschiks ausgetrickst.Wie das?
https://www.tagesspiegel.de/kultur/ich-sang-orss-statt-earth-1657693.html
Seit Ende der 70er Jahre durften wir ja auch im Westen auftreten, wir hatten dafür einen eigenen West-Manager. Dem haben wir 1982, bei der großen Stones-Tour, gesagt: Mach irgendeinen Auftritt für uns klar, ganz egal wo, wir brauchen auch keine Gage, es muss nur in der Nähe von einem Stones-Konzert sein. Wir haben also unseren Auftritt bekommen, in einem ganz kleinen Club, da sind vielleicht 100 Leute gewesen, und wir sind gleich danach ins Auto gesprungen und ewig weit nach Hannover gefahren.
Transparenz
Was sind Reisekader? – Warum durften sie in den Westen reisen?
Im Zentrum dieser einführenden Sektion steht die Zulassungsvoraussetzung für Auslandsreisen in den Westen, die Zugehörigkeit zum Reisekader. Es wird sowohl auf Gründe für die Erlaubnis zu Westreisen als auch auf die Kontrollen der Zuverlässigkeit für die Reisekandidaten eingegangen. Aufgrund der Zuständigkeit der Stasi lassen sich hier Querverbindungen zum Thema „Repression“, dort neben dem Kapitel „Stasi“ auch zum Kapitel „Kaderakte“ herstellen.
In der Materialspalte werden Bsp. für Reisekader vorgestellt
- Sport
- Kultur
- Wissenschaft (Interviewauszug des Wissenschaftlers Jarmatz, der aufgrund der Westverwandtschaft nur nach Osten delegiert wurde.)
Darf der Kandidat XY wirklich in den Westen reisen?
Letztlich entscheidet die Stasi.
Bei jeder Westreise bestand aus Sicht der SED potenziell Fluchtgefahr. Deshalb investierten die Machthaber einen erheblichen Aufwand in die Absicherung der Zuverlässigkeit von Reisekadern. Man wollte sicherstellen, dass diese nicht einfach im Westen blieben.
Sollte ein*e Bürger*in der DDR zum Reisekader werden, wurde der*die Betreffende erst von der Stasi kontrolliert. Dazu forderte die Staatssicherheit unter anderem die Kaderakte der betreffenden Person an und überprüfte die Einträge. Das allein genügte aber nicht: Auch der ABV (der Abschnittsbevollmächtigte, also der für den Wohnort zuständige Polizist) wurde befragt, ebenso wie die Vorgesetzten im Betrieb. Ergaben sich dabei Anschuldigungen, die einer Genehmigung der Reise entgegenstanden, konnte das – außer der Nicht-Genehmigung der Westreise, noch andere Konsequenzen haben. Je nach der „Schwere“ der Anschuldigungen konnte jemand als verdächtig betrachtet und von nun an von der Stasi observiert werden.
Transparenz
Durfte außer den Reisekader noch jemand in den Westen reisen?
Seit 1964 galten für Rentner*innen besondere Ausreiseregelungen für Reisen nach Westdeutschland und West-Berlin. Auf Einladung von Verwandten konnte ihnen in dringenden Familienangelegenheiten (Geburten, Eheschließungen, lebensgefährliche Erkrankungen und Sterbefälle) die Ausreise aus der DDR genehmigt werden. Diese Regelung wurde als die erste Lücke in der seit 1961 bestehenden Mauer gefeiert.
In Folge der neuen Ostpolitik, also der teilweisen Anerkennung der DDR als eigener Staat, wurde weitere Reiseerleichterungen eröffnet: Ab 1976 konnten Rentner*innen z.B. auch ohne besonderen Anlass ihre Angehörigen im Westen besuchen.
Mit dem hohen Devisenbedarf der DDR und den Krediten der Bundesrepublik hing es zusammen, dass es ab 1984 allen Bürger*innen möglich war, einen Antrag auf Besuchsreisen in den Westen zu stellen, sofern eine Einladung vorlag. Allerdings wurden aufgrund der strikten Überprüfungen nur relativ wenige Anträge genehmigt. Die Anzahl der jüngeren BRD-Besucher*innen, die im Westen blieben, war nämlich deutlich höher als die der Rentner*innen. Um das Fluchtrisiko zu reduzieren, wurden nur Einzelreisen genehmigt; Familienmitglieder mussten in der DDR bleiben.
Transparenz
Durfte sonst noch jemand in den Westen reisen?
Diese Sektion möchte aufzeigen, dass Reisemöglichkeiten in den Westen sich nicht nur auf die Zugehörigkeit zum Reisekader beschränkte, sondern dass es auch weitere – wenn auch nur wenige – Möglichkeiten gab, in den Westen zu reisen. Ausgangspunkt ist die Sondergenehmigung für Rentner, drei Jahre nach dem Mauerbau. Weitere Erleichterungen werden in ihrem Zusammenhang mit der neuen Ostpolitik (für Rentner ohne benötigte Sondergenehmigung ab 1976) bzw. mit dem Devisenbedarf der DDR gesetzt (für auch jüngere DDR Bürger*innen ab 1984).
In der Materialspalte wird zunächst das Jahr 1964 anhand eines Fallbeispiels betrachtet, sodann werden Ausschnitte aus Erfahrungsberichten zweier Zeitzeugen zu den 1980ern dargeboten:
- 1964:
- Video erste Westbesuche von Rentnern 1964;
- Stasi-Einschätzung hierzu.
- 1984:
- Restriktionen bei Antragstellungen und Eindrücke vom ersten, schließlich doch genehmigten Westbesuch;
- Zeitzeuge berichtet von seinem Westbesuch und dass er nicht mehr zurückkam (Flucht)
Wir haben eine Auswahl an Kapiteln getroffen, die besonders gut zu deiner Profilauswahl passen, die du am Anfang gemacht hast.
Du kannst jederzeit gerne nach unten scrollen und dir die übrigen Kapitel des Themas ansehen.
Das Abschlusskapitel solltest du aber auf keinen Fall verpassen, weil es die einzelnen Aspekte des Themas noch einmal zusammenfasst.