
Begrenzte Freizügigkeit
Abschluss – Motoren der Veränderung
Zentrale Merkmale vonFreizügigkeit in der DDR, kurz und knapp im Überblick
- Das Grundrecht auf Freizügigkeit gab es in der DDR nicht.
- Ca. 5 Millionen DDR-Bürger*innen, ein knappes Drittel der Einwohnerzahl bei Ende der DDR, entschied sich zur Flucht.
- Das SED-Regime betrieb deshalb einen erheblichen Aufwand, die Bürger*innen an der Flucht zu hindern.
- Grenzanlagen, die die Bevölkerung, z.T. mit tödlichen Maßnahmen, in ihrem Land einsperren sollten, spielten dabei ebenso eine Rolle wie die Kontrolle und Überwachung des ganzen Volkes.
- Nur wenige Bürger*innen der DDR durften ihr Land legal in Richtung Westen verlassen, für Kurzaufenthalte oder auf Dauer.
- Urlaubsreisen ins Ausland waren nur in die „sozialistischen Bruderländer“ möglich. Das Angebot war aber begrenzt, weshalb nicht jede*r Urlaub im Ausland machen konnte.
- Auch das Reisen im eigenen Land war beschränkt; der Westgrenze durfte man sich nicht oder nur unter Einschränkungen annähern.
- Auch der Urlaub im eigenen Land wurde staatlich reguliert, Ferienplätze vorwiegend zentral verteilt.
- Die Beschränkung der Freizügigkeit wurde zu einem wichtigen Motor der Veränderung. Menschen schufen sich private Schlupflöcher, z.B. durch Campen; suchten zunehmend politische oder mediale Öffentlichkeit und setzten schließlich in der Friedlichen Revolution (1989) die Freizügigkeit als eines der Grundrechte durch.
Auf Dauer nicht aushaltbar
Die Beschränkungen der Freizügigkeit, insbesondere auch das widersprüchliche Vorgehen der Regierung in Bezug auf Lockerungen, führten zu Frustration in der Bevölkerung der DDR.
Auf der einen Seite standen die internationalen Vereinbarungen der von der DDR unterschriebenen KSZE-Schlussakte mit der Verpflichtung, das Recht auf Reisefreiheit zu achten. Auf der anderen Seite stand DDR-intern das harte Vorgehen gegen Ausreisewillige, das Freizügigkeit weitgehend missachtete. In diese Richtung wies auch die Schließung der Grenze nach Polen 1980.
Es gärte in der Bevölkerung.
Wunsch nach Reisefreiheit – ein Motor der Veränderung
Der Wunsch nach Reisefreiheit war ein zentrales Anliegen vieler Bürgerrechtsgruppen. Kleinere Demonstrationen wie „weiße Kreise“ waren von der Stasi bislang unterdrückt worden.
Die Strategie war nun, durch Demonstrationen in einer größeren Öffentlichkeit die Teilnehmer*innen vor einem Zugriff durch die Stasi zu schützen.
Grenzöffnungen außerhalb der DDR als Motoren der Veränderung
Im Sommer 1989 öffnet Ungarn den Grenzzaun nach Österreich. DDR-Bürger*innen konnten nun über Ungarn in den Westen gelangen.
In den Botschaften in Prag und Warschau erzwangen Tausende von DDR-Bürger*innen diplomatische Verhandlungen, die zu Ausreisegenehmigungen am 30. September 1989 führten. Alle Versuche der DDR-Führung, den Weg über die Tschechoslowakei noch einmal zu schließen, scheiterten. Tausende verließen die DDR auf diesem Weg.
Die Massendemonstrationen im eigenen Land rissen währenddessen nicht ab.
Der Motor der Veränderung ist nicht mehr zu stoppen. Die Friedliche Revolution nimmt ihrer Lauf.
Die SED hatte darauf gehofft, mit erleichterten Ausreiseregelungen die Massenflucht des Jahres 1989 zu beenden. Diese Idee, die ursprünglich dazu gedacht war, den Forderungen der Oppositionsgruppen entgegenzukommen und so den Druck aus der Situation zu nehmen, führte für das SED-Regime zum Fiasko.
Daran war auch, aber nicht nur, die frühzeitige Veröffentlichung der neuen Reiseregelungen Schuld. Man hatte in der Hoffnung einer schnellen Entspannung die Nachricht verkündet, bevor die Grenzposten entsprechende Verfahrensanweisungen bekommen hatten. In dieser Situation der Überforderung brach ein Damm, der nicht mehr zu reparieren war.
Das Ende des SED-Regimes nahm seinen Anfang.
Links zum Thema
Trotz der neu gewonnenen Freiheiten erinnern nicht alle ehemaligen DDR-Bürger*innen den Mauerfall und das Ende der DDR als etwas Positives.
Manche waren selbst in irgendeiner Form für das System des Staates tätig gewesen und verloren nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr gesellschaftliches Ansehen oder leitende Positionen. Einem Teil dieser Menschen wurden später Prozesse gemacht, sie wurden für Verbrechen bestraft, für die sie in der DDR noch gelobt worden waren, weil sie dem „Wohl der DDR“ gedient hatten.
Andere waren ideologisch oder aus Gewohnheit vom politischen System der DDR überzeugt. Sie waren mit dem Strom geschwommen, hatten sich in den Massenorganisationen eingebracht, hatten das Glück gehabt, nie in Verdacht gekommen zu sein und deshalb keine schlechten Erfahrungen mit dem Staat und seinen Vertreter*innen gemacht. Sie hatten ihr Land und alles was sie im Leben gewohnt waren verloren. Manche von ihnen hatten es nachher nicht geschafft mental im vereinten Deutschland anzukommen.
Die meiste Kritik kommt allerdings aus einer anderen Richtung. Menschen die durch das Ende der DDR ihre Arbeitsplätze verloren hatten und plötzlich mit neuen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen umgehen mussten, waren oft viel unmittelbarer von den Folgen der Wiedervereinigung betroffen, als sie das bewusst zuvor durch das Regime in der DDR gewesen waren.
Mach Dir einen Eindruck von den Zahlen:
Damals: Die Bevölkerung einsperren – Heute: Freizügigkeit? (1)
Gesicherte Zahlen helfen Dir dabei, Dir zu „Flüchtlingen“ eine eigene Meinung zu bilden.
Schlaglichter auf „Flüchtlinge“ vor 1989:
Da waren einerseits die Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten, die im Osten Deutschlands (ca. 4 Millionen) und im Westen (ca. 8 Millionen) aufgenommen werden mussten.
Andrerseits gab es fast 5 Millionen Menschen, die aus der DDR flohen und als Binnen-Migranten in die Bundesrepublik kamen.
Ohne ihre „Neubürger“ und ohne die mehr als 2,5 Millionen „Gastarbeiter“ aus Südeuropa und der Türkei in den1960er und 1970er Jahren hätte die alte Bundesrepublik sich nicht zu einem wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch florierenden Land entwickeln können.
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Und die heutige Situation?
Auch heute gibt es viele Lebensbedingungen, die als nicht aushaltbar wahrgenommen werden: Kriege, Bürgerkriege und die Verfolgung durch den eigenen Staat, aber auch durch den Klimawandel verschlechterte Lebensbedingungen. Ende 2022 waren weltweit insgesamt 108,4 Millionen Menschen auf der Flucht. Fluchtwege sind vielfältig, sie führen aber immer zu Orten, an denen Hoffnung auf Sicherheit, Schutz, bessere Lebensbedingungen besteht. Sie liegen oft innerhalb des eigenen Landes und in benachbarten Ländern, können aber auch in entferntere Regionen führen.
Das Thema „Migration“ wird für Menschen, die – bewusst oder aus Unkenntnis – geltende Rechtslagen missachten oder sie ändern wollen, zum heißen Thema.
Damals: Die Bevölkerung einsperren – Heute: Freizügigkeit? (2)
Es hilft, die (historischen) „Rahmenbedungen“ zu kennen, um Dir eine eigene Meinung zu bilden.
Hättest dus gewusst?
- Wie die anderen Staaten auch regelt Deutschland, wer seine Staatsangehörigen sind, nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts. Dabei müssen Menschenrechte, die ihrerseits auf internationaler Ebene im Völkerrecht abgesichert sind, beachtet werden.
- Freizügigkeit zur kriminalisieren, wie in der DDR geschehen, verstößt gegen Menschenrechte und gegen das Völkerrecht. Menschen, die wo anders leben wollen, sind keine Kriminellen!
- Das Grundgesetz hatte für die alte Bundesrepublik festgelegt, dass es nur eine deutsche Staatsbürgerschaft gibt, die auch für DDR-Bürger (und natürlich für Deutsche aus den ehemaligen Ostgebieten) galt. Jeder Deutsche im Sinne des Grundgesetzes hatte das uneingeschränkte Aufenthaltsrechtrecht.
- Für nicht deutsche Flüchtlinge schafft die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und das dort festgeschriebene Asylrecht die Grundlage. Es sichert Personen Schutz und Sicherheit vor Verfolgung zu, die sich aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung in Gefahr befinden.
- Gesetzlich geregelt werden zudem Möglichkeiten der Einbürgerung. Für Deutschland erfolgt dies im Staatsangehörigkeitsgesetz.
- Weitere Regelungen gibt es für die Einreise. Nur Staatsangehörige der EU-Staaten und einiger weiterer Staaten, brauchen kein Visum. Alle anderen müssen ihre Einreise beantragen und dürfen auch nur für maximal drei Monate bleiben
- Menschen, die die genannten Bestimmungen ignorieren, werden als „irreguläre Migranten“ bezeichnet.
a) Gemeinsam mehr erreichen
b) Sich gegen Bedrohungen unseres gesellschaftlichen Systems zur Wehr zu setzen, egal oder sie von rechts, links oder von Islamisten kommen, ist nicht nur die Sache des Staates sondern von jedem von uns.
Damals: Die Bevölkerung einsperren – Heute: Freizügigkeit? (3)
Es hilft Zusammenhänge mit zu bedenken, die einem nicht als erstes in den Sinn kommen.
#DDRinnern zeigt immer wieder, dass das politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche usw. System den Rahmen bildet, in dem gelebt wird, auch wenn der/die Einzelne im Alltag das nicht unbedingt wahrnimmt.
Dass man sich im Alltag größere Zusammenhänge nicht immer bewusst macht, gilt auch für unser Leben heute. Allerdings: Was in der Vergangenheit im Hintergrund alles gelaufen ist und sich auf den Alltag ausgewirkt hat, das wissen wir heute. Was in der Zukunft kommen wird, können wir dagegen nicht wissen. Was wir aber können, ist dabei mitwirken, wie Weichen für zukünftige Entwicklungen gestellt werden. Das ermöglicht uns das demokratische System, in dem wir leben.
Und ein Schritt bei der Weichenstellung ist, dass du dich begründet positionierst, wenn es um konkrete Themen geht, die für die Zukunft wichtig sind. Wir sind der Meinung, dass der Umgang mit Freizügigkeit ein solches Thema ist.
Wir wollen dich auf ein paar Zusammenhänge aufmerksam machen. Dabei geht es nicht darum, dass du denkst und handelst, wie wir es für gut finden. Es geht nur darum, dass du nicht auf einem (oder gar auf beiden) Augen blind bist, wenn du dich zu solchen Themenverhältst.
- Wir sind längst eine bunte Gesellschaft, nutzen die Chancen von „Vielfalt“ aber nicht immer. „Zusammen“ ein „neues Ganzes“ bilden, das muss auch gelernt werden. Von allen, auch von dir und mir. Erziehung und Bildung sind dafür wichtige Bausteine.
- Für ein gelingendes Zusammenleben ist eine grundsätzliche Anerkennung unseres Systems der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Sozialstaatlichkeit, der Marktwirtschaft unabdingbar. Das gilt für dich selbst, wie für alle anderen.
- Menschenrechte sind unteilbar und grenzenlos. Internationale Zusammenarbeit und Solidarität sind Konsequenzen, die auch faire Perspektiven und Einsatz gegen Fluchtursachen wie Armut, Konflikten, aber auch die Klimapolitik umfasst.
- Wenn es uns gut gehen soll, braucht unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft Arbeitskräfte. Die müssen auch aus dem Ausland kommen.