
Wahrheit und Unwahrheit
Deutsche demokratische Republik – Wirklich demokratisch?
Deutsche Demokratische Republik?
Die DDR trug die „Demokratie“ im Namen. Trotz dieser Selbstbezeichnung aber handelte es sich beim SED-Staat um eine Parteien-Diktatur. Ein bekanntes Ulbrichtzitat verweist auf die Hintergründe. Die Bezeichnung hatte nicht zuletzt das Ziel, die Staatsgründung des zweiten Deutschen Staats nicht zu gefährden.
„Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“
(Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder (1955). Leipzig 1990. S. 406)
Aus diesem Statement heraus erklären sich viele Widersprüche, denn „demokratische Grundsätze galten in der DDR nicht
Historischer Kontext
Wenn wir an Demokratie denken klingt das nach einem großen Versprechen. Auf Mitbestimmung, auf freie, unabhängige und geheime Wahlen und auf Rechte gegenüber der Regierung. Kurz, wir wählen Volksvertreter, die uns gegenüber für ihr Handeln verantwortlich sind.
Die SED sah das in der DDR völlig anders. Im Selbstverständnis der Parteiführung war völlig klar, dass die SED die beste Partei überhaupt war und ganz klar die Führung der DDR tragen musste. Das war 1968 offiziell in der Verfassung der DDR festgeschrieben worden, stand aber schon vorher fest und war allgemein bekannt. Bei einer Wahl konnte es deshalb gar nicht darum gehen eine andere Partei als die SED an die Regierung zu bringen. Verfassungsmäßig war das gar nicht möglich. Stattdessen wurden Wahlen dazu genutzt die Zustimmung der Bevölkerung zur Führung durch die SED zu demonstrieren. Dabei wurden regelmäßig Zustimmungsquoten von weit über 90% verkündet. Das sollte zeigen, dass fast alle mit der SED einverstanden waren. Tatsächlich zeigte sich bei der Wahl im Mai 1989, dass diese veröffentlichten Zahlen stark manipuliert waren. Und das obwohl das Wahlsystem ohnehin nur Zustimmung möglich machte. Aufgedeckt wurde das durch Wahlbeobachter.
Transparenz
Deutsche Demokratische Republik?
„Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Mit diesem Ubricht-Zitat, bereits aus dem Jahr 1945, wird verdeutlicht, dass die DDR nicht nur nicht demokratisch war, sondern auch nicht demokratisch sein wollte.
In der Materialspalte findet sich die Staatsflagge der DDR.
Heiße Themen
Wahlbetrug ist ein Thema, das uns auch heute in den Nachrichten begleitet. Zuletzt gab es in Deutschland Unstimmigkeiten bei der Bürgermeisterwahl in Berlin. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass hier wohl keine bösen Absichten sondern menschliche Fehler ursächlich waren, wirft das trotzdem die Frage nach der Zuverlässigkeit demokratischer Wahlen auf.
Auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte versucht seinen Gegnern Wahlbetrug vorzuwerfen, um im Amt bleiben zu können. Ihm sei die Wahl gestohlen worden, weil seine Opposition betrogen hätte. Dieses Gerücht hält sich in seiner Anhängerschaft auch noch Jahre später.
In den USA hat die Demokratie aber gehalten und das Wahlergebnis hatte eine Veränderung an der Staatspitze ergeben. Neuer Präsident ist Trumps Gegner Joe Biden.
Man kann mit Wahlergebnissen nicht einverstanden sein. Das ist normal und in Ordnung, denn niemand findet alles gut. Trotzdem kann man sagen, die Demokratie hat funktioniert. Die Wahl der Bürger*innen hatte darüber entschieden, wer das Land regieren sollte.
In der DDR war ein Wechsel an der Spitze nur möglich, wenn sich die Führung der SED einig war, wer aus ihren Reihen den Staat anführen sollte. Die SED konnte man als Bürger*in nicht loswerden, egal wie man gewählt hatte.
Links zum Thema
Einige Bürger*innen der DDR haben sicherlich daran geglaubt, dass die DDR eine Demokratie war.
Die SED hatte argumentiert, es wäre eben nötig Vorgaben zu machen, aber die Bürger*innen könnten ja mitwirken und ihre Zustimmung zur Regierung signalisieren.
Das ist zwar etwas völlig anderes als das was wir unter einer Demokratie verstehen. Die einzige erlaubte Möglichkeit der politischen Mitwirkung in der DDR war es der Partei (SED) zu folgen und zu helfen deren Ideale in die Tat umzusetzen. Aber man konnte der Argumentation der SED natürlich auch folgen und diese richtig finden. Das ist das schwierige bei verschiedenen Meinungen. Jeder ist von der eigenen Meinung überzeugt.
Deshalb gibt es auch heute noch Menschen in Deutschland, die diese Art politischer Führung gut finden und der Meinung sind, die DDR wäre ein besserer Staat gewesen.
Man kann nur vermuten warum das so ist. Vielleicht waren sie selbst in das System des SED-Staates eingebunden oder sie hatten einfach die ideologischen Argumente der SED verinnerlicht. Es macht am Ende auch einen großen Unterschied ob man selbst betroffen war oder von diesem Verständnis von Demokratie profitiert hatte.
Schon die Verfassung…
… widersprach demokratischen Grundprinzipien.
Einerseits wurde die DDR als demokratischer Staat bezeichnet. Andererseits war aber auch die SED als alleinige Regierungspartei festgeschrieben. Ein demokratischer Wechsel an der Spitze war also unmöglich.
Transparenz
Schon die Verfassung … widersprach demokratischen Bezügen
Materialspalte: Verfassungsauszüge; Textspalte: dazugehöriger Infotext
Parteienvielfalt…
… nur auf dem Papier
Die Nationale Front war das politische Bündnis, in dem unter Führung der SED alle zugelassenen Parteien, die großen Massenorganisationen und relevanten Verbände vereinigt waren. Bei Wahlen wurden alle Kandidaten der Nationalen Front auf einer Einheitsliste aufgeführt, die die Wähler durch das so genannte „Zettelfalten“ unverändert annehmen sollten.
Die Nationale Front war also ein Instrument, um den Anschein einer breiten Unterstützung der SED zu erzeugen und den Schein einer Demokratie zu wahren.
Historischer Kontext
Die SED war 1946 aus einer zwangsweisen Verschmelzung der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und der Ost-SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands; die Partei wurde 1945 mit Deutschland gespalten) entstanden. Damals gab es noch gar keine DDR, denn diese wurde erst 1949 gegründet. In der Zwischenzeit war die SED ein Instrument der Sowjetischen Besatzungsmacht, um die Bevölkerung in der damals sogenannten SBZ (Sowjetische Besatzungszone) politisch zu kontrollieren.
Diese Kontrollfunktion hatte die SED auch als Staatspartei der DDR für sich beansprucht. Jetzt ging es darum, die eigene Macht zu festigen und zu legitimieren. Dieser Legitimation diente auch die Idee der „Nationalen Front“. Die SED wurde dadurch zur Führungsinstanz stilisiert, die von allen Parteien und Massenorganisationen unterstützt würde. Dass diese Massenorganisationen alle von der SED abhängig waren und die Parteien ohnehin nicht selbständig agieren durften wurde dabei ignoriert.
Das Signal sollte sein: „wir stehen alle zusammen!“
Transparenz
Parteienvielfalt … nur auf dem Papier
Materialspalte: Wahlaufrufe für Nationale Front; Textspalte: Infotext zu Nationale Front und zur Funktion
Wahlen: allgemein, frei, gleich und geheim?
Wahlen in der DDR – Der Schein trügt
Historischer Kontext
Die wichtigsten Werte bei den Wahlen in der DDR waren daher die Zustimmung und die Wahlbeteiligung. Beide Werte sollten möglichst hoch sein, um einen vollen Erfolg der eigenen Bemühungen zu signalisieren. Die veröffentlichten Zustimmungswerte lagen dabei regelmäßig zwischen 90% und 100%, was nüchtern betrachtet sehr unwahrscheinlich und bei einer wirklich freien Wahl nahezu unmöglich wäre. Auch Wahlbeteiligungen jenseits der 85% waren in der DDR keine Seltenheit. Hier wurde tatsächlich nachgeholfen, indem Mitglieder der Wahlkomitees Hausbesuche durchführten und Nichtwählende zur Abgabe eines Stimmzettels baten. Mal mit mehr und mal mit weniger Nachdruck.
Bei den Kommunalwahlen im Mai 1989, wurden zum ersten Mal in der DDR Wahlbeobachter zugelassen. Rückblickend war das für die SED ein großer Fehler gewesen, denn die Beobachtenden hatten sich Ergebnisse in einzelnen Wahllokalen notiert und konnten diese mit den offiziellen Listen in der Zeitung „Neues Deutschland“ vergleichen. Dabei kam heraus, dass Zahlen vor der Veröffentlichung geschönt und manipuliert worden waren, um bessere Ergebnisse zu erreichen. Im Grunde bedeutete das, die SED machte sich ihre Wahlergebnisse selbst und führte die Bürger*innen an der Nase herum. Mit dem Wahlsystem der DDR wäre diese zusätzliche Manipulation gar nicht nötig gewesen, denn die SED stand ja von vorne herein als Sieger fest. Indirekt zeigt sich hier aber auch ein Stück weit Selbstüberschätzung und Naivität der Staatsführung. Schließlich hatte man ja gewusst, dass diese Wahlen beobachtet wurden. Die SED hatte sich selbst ein Bein gestellt und das letzte Bisschen Glaubwürdigkeit verspielt.
Transparenz
Wahlen: allgemein, frei, gleich und geheim? – Der Schein trügt
Materialspalte: Fotographie eines Wahlaufrufes von 1971; ein Erklärvideo des Mr Wissen to go
rechte Spalte: Fotographie einer Stimmauszöhlung 1989
Großartige Ergebnisse…
…fern der Wirklichkeit
Historischer Kontext
Die wichtigsten Werte bei den Wahlen in der DDR waren daher die Zustimmung und die Wahlbeteiligung. Beide Werte sollten möglichst hoch sein, um einen vollen Erfolg der eigenen Bemühungen zu signalisieren. Die veröffentlichten Zustimmungswerte lagen dabei regelmäßig zwischen 90% und 100%, was nüchtern betrachtet sehr unwahrscheinlich und bei einer wirklich freien Wahl nahezu unmöglich wäre. Auch Wahlbeteiligungen jenseits der 85% waren in der DDR keine Seltenheit. Hier wurde tatsächlich nachgeholfen, indem Mitglieder der Wahlkomitees Hausbesuche durchführten und Nichtwählende zur Abgabe eines Stimmzettels baten. Mal mit mehr und mal mit weniger Nachdruck.
Bei den Kommunalwahlen im Mai 1989, wurden zum ersten Mal in der DDR Wahlbeobachter zugelassen. Rückblickend war das für die SED ein großer Fehler gewesen, denn die Beobachtenden hatten sich Ergebnisse in einzelnen Wahllokalen notiert und konnten diese mit den offiziellen Listen in der Zeitung „Neues Deutschland“ vergleichen. Dabei kam heraus, dass Zahlen vor der Veröffentlichung geschönt und manipuliert worden waren, um bessere Ergebnisse zu erreichen. Im Grunde bedeutete das, die SED machte sich ihre Wahlergebnisse selbst und führte die Bürger*innen an der Nase herum. Mit dem Wahlsystem der DDR wäre diese zusätzliche Manipulation gar nicht nötig gewesen, denn die SED stand ja von vorne herein als Sieger fest. Indirekt zeigt sich hier aber auch ein Stück weit Selbstüberschätzung und Naivität der Staatsführung. Schließlich hatte man ja gewusst, dass diese Wahlen beobachtet wurden. Die SED hatte sich selbst ein Bein gestellt und das letzte Bisschen Glaubwürdigkeit verspielt.
Transparenz
Großartige Ergebnisse … fern der Wirklichkeit
Das offizielles Wahlergebnis 1989 im Neuen Deutschland verkündet (links) steht der Wirklichkeit, von der Wahlbeobachter berichten, (rechts) gegenüber.
Auf eine Schluss-Sektion wird hier verzichtet, weil in die Gegenüberstellungen bereits Vertiefungen eingearbeitet sind.
Querverweis:
Einführungsseiten zum Thema Repression, die Rechtsstaatlichkeit als System darstellen.
Links zum Thema
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung http://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/ernstfall-demokratie/themen/spielregeln-der-demokratie/realpolitik-contra-demokratie#
Wenn du weiterscrollst, siehst du die weiteren Kapitel zum Thema Wahrheit und Unwahrheit.
Wir schlagen dir weiterhin eine Auswahl an Kapiteln vor, die gut zu dem Profil passen, das du beim Start angegeben hast. Du kannst aber jederzeit auch weitere Themen auswählen, die Dich interessieren.
Den Abschluss solltest du aber nicht verpassen. Er enthält a) eine kurze Zusammenfassung, b) zeigt er, wie Menschen zu Veränderung beigetragen haben und c) hilft er Dir, Dich bei heißen Themen, bei denen es um die Frage „wahr oder falsch“ geht, zu positionieren. Deine Kenntnisse über den Umgang mit Wahrheit und Lüge in der DDR helfen dir dabei.
Transparenz
Allerdings gilt auch hier, dass nicht jede*r DDR-Bürger*in das so wahrgenommen hat.
- Die Unwahrheiten waren für manche nicht durchschaubar; viele Informationen wurden erst später für jeden zugänglich.
- Andere erkannten zwar, dass gelogen wurde, nahmen das aber nicht so wichtig. Sie passten sich an und hatten deshalb keine konkreten Negativ-Erfahrungen aus einem kritischen Umgang mit Unwahrheiten.
- Wieder andere vertrauten ihrem Staat und wollten deshalb auch glauben, was behauptet wurde.
- Eine letzte Gruppe war selbst Teil des Systems der Produktion und Verbreitung von Unwahrheiten.
Wir wollen, dass du dir selbst eine Meinung bilden kannst.
Deshalb haben wir nicht nur Materialien ausgewählt,
- die die Unwahrheiten offensichtlich machen, sondern auch solche,
- die zeigen, warum sich manche schwer damit taten und tun, zu erkennen und anzuerkennen, dass der Staat letztlich auf Unwahrheiten angewiesen war und mit den Mitteln einer Diktatur zu verhindern versuchte, dass diese offen gelegt wurden.
- Wir wollen zudem an Beispielen verdeutlichen, dass bestehende Spannungsgefüge nur aufzulösen sind, wenn über die Einzelerfahrung hinaus auf größere Zusammenhänge geachtet wird.
Zum Abschluss der einzelnen Kapitel zeigen wir jeweils, wie das nicht-Aushalten können hier von Unwahrheiten zu einem „Motor der Veränderung“ wurde, der schließlich zum Ende der DDR beitrug.