Hier Interviewausschnitte Bürgerrechtler*innen

Teilnahmezwang, ein mächtiger Motor der Veränderung
Den eigenen Lebensweg selbst bestimmen zu können und selbst darüber zu entscheiden wann man sich mit anderen zusammentun will, das sind Freiheiten, die jedem Menschen zustehen sollten. Sich diese Freiheiten erstreiten zu wollen, das kann ein starker Motor für Veränderungen sein.
Ob der Zwang zur Teilnahme am politischen Leben zum Wunsch nach Wandel und zum aktiven Einstehen für diesen führte war auch von individuellen sozialen Faktoren und persönlichen Einstellungen abhängig.
Opposition – Bürger*innen organisieren sich selbst
Dem Teilnahmezwang entzogen sich Bürger*innen der DDR nicht nur, indem sie sich nach außen hin unauffällig verhielten, sich innerlich aber vom System abwandten (Rückzug ins Private), oder indem sie sich zur Flucht/Ausreise entschieden.
Es entstanden auch oppositionelle Gruppen. Menschen begannen, sich über den privaten Raum hinaus zusammenzufinden und eigene Interessen zu vertreten, auch dann, wenn diese den staatlichen Vorgaben widersprachen. Die Ausgangspunkte für die Bildung solcher Gruppen waren vielfältig. Der Einsatz für Frieden und Umwelt, die Ablehnung von Gewalt gegen Mitbürger*innen waren ein Kern. Die Erfahrungen in kirchlichen Gruppen ein anderer. Dazu kamen die Möglichkeiten, die sich ableiten ließen aus der „neuen Ostpolitik“ des Westens und darauf fußend der Unterzeichnung internationaler Verträge durch die DDR. Von Bedeutung für die Opposition waren auch die zunehmenden Kontakte zu Westmedien. Einige Gruppen fanden sich auch zusammen, weil sie die Verantwortlichen für das immer offensichtlicher werdende Scheitern des Sozialismus dafür zur Rechenschaft ziehen wollten.
Von Friedensgebeten und Basisgruppen zur Friedlichen Revolution: Das „Neue Forum“ und vergleichbare Initiativen als Bindeglied
Am 10. September 1989 wurde von ca. 30 Bürgerrechtler*innen der Aufruf zur Gründung des „Neuen Forums“, der ersten landesweiten Oppositionsbewegung in der DDR unterzeichnet. Der Antrag auf Zulassung als Vereinigung wurde vom Innenministerium erwartungsgemäß abgelehnt, weil „für die beabsichtigte Gründung der Vereinigung ‚Neues Forum‘ keine gesellschaftliche Notwendigkeit besteht.“
Doch das Neuen Forum war nicht mehr aufzuhalten. Ende 1989 hatte die Vereinigung rund 200.000 Unterstützer-Unterschriften und rund 10.000 Mitglieder.
Noch im Herbst 1989 registrierte die Stasi weitere „Bestrebungen feindlicher, oppositioneller Kräfte zur Schaffung DDR-weiter Sammlungsbewegungen/Vereinigungen“. U.a. ging es um die Gründung einer sozialdemokratischen Partei, der Vereinigungen Demokratischer Aufbruch, Demokratie Jetzt, Grüne Liga, Initiative Frieden und Menschenrechte, Vereinigte Linke.
SED wie Stasi hatten ihre Macht verloren, nicht nur über die Bürgerrechtler*innen, sondern auch über immer größere Teile der Bevölkerung.
Links zum Thema
https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/deutsche-einheit/neues-forum-entsteht-337176
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17901/neues-forum/
https://www.chronikderwende.de/lexikon/glossar/glossar_jsp/key=nf.html
file:///Users/gga109/Downloads/Schaffung%20DDR-weiter%20Sammlungsbewegungen_Vereinigungen.pdf
https://www.stasi-mediathek.de/themen/organisation/Neues%20Forum/
So hoch der Mut und die Entschlossenheit der Bürgerrechtler*innen einzuschätzen ist, so wichtig es war, dass sich immer mehr Bürger*innen dem Protest anschlossen, ohne die internationalen Rahmenbedingungen wäre es kaum zur Friedlichen Revolution in der DDR gekommen:
„Der Zusammenbruch des SED-Regimes geschah nicht so plötzlich und unerwartet, wie es manchem erscheinen mag. Eine Reihe von Entwicklungen in der DDR und im internationalen Raum trugen dazu bei: Der Ostblock war in Auflösung begriffen, die Sowjetunion hatte bekannt gegeben, nicht mehr in die inneren Angelegenheiten kommunistischer Staaten einzugreifen, die Macht der SED begann schon ganz erheblich zu erodieren.“