Phasen der DDR-Geschichte

Prof. Dr. Ralph Jessen

1945-1949

Mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endeten die nationalsozialistische Diktatur und der von ihr angezettelte Zweite Weltkrieg. Obwohl die vier Besatzungsmächte USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion verabredet hatten, die Einheit des besiegten Deutschlands zu erhalten, begann die Anti-Hitler-Koalition der Alliierten schon bald zu zerfallen. Über die konkrete Form der deutschen Nachkriegsordnung konnte man keine Einigung erzielen. Je mehr die Gegensätze zwischen den drei Westalliierten und der kommunistischen Sowjetunion wuchsen, desto stärker entwickelten sich die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und die drei Westzonen auseinander. Die „Sowjetische Militäradministration“ (SMAD) stellte früh die Weichen für eine tiefgreifende Umgestaltung der Verhältnisse in ihrer Besatzungszone: Schon im Herbst 1945 setzte man eine Bodenreform durch, mit der Großgrundbesitzer enteignet und ihr Land auf viele kleine „Neubauern“ verteilt wurde. Auch die Verstaatlichung zahlreicher Industriebetriebe und anderer privater Unternehmen im folgenden Jahr wurde wie die Bodenreform damit gerechtfertigt, dass die Alteigentümer die NS-Diktatur ermöglicht und unterstützt hätten. Ob dies im Einzelfall tatsächlich zutraf, spielte keine Rolle. Wichtig war die symbolische Botschaft: Für die Nazi-Verbrechen und den Krieg wurden „die Kapitalisten“ verantwortlich gemacht und bestraft; die große Mehrheit der Deutschen galt als „Opfer“ des Regimes oder als irregeleitete Mitläufer. Der so verstandene „Antifaschismus“ schuf Sündenböcke und versprach allen anderen Entlastung. Die sowjetische Besatzungsmacht baute die deutsche Verwaltung und das Parteiensystem so auf, dass die kleine Minderheit der deutschen Kommunisten entscheidenden Einfluss nehmen konnte. Der wichtigste Schritt in diese Richtung war die Gründung der SED, der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“, im April 1946. Dazu wurde die Sozialdemokratische Partei in der SBZ gezwungen, sich mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zu vereinigen. So war die SPD als eigenständige Kraft ausgeschaltet. Obwohl man beim Vereinigungsparteitag verabredet hatte, die neue Partei gleichberechtigt zu führen, wurden die Sozialdemokraten schon nach kurzer Zeit an den Rand gedrängt. Als starker Mann der SED etablierte sich Walter Ulbricht, der im Frühjahr 1945 mit einer kleinen Gruppe von KPD-Funktionären aus dem Moskauer Exil zurückgekehrt war. Ab 1950 lenkte er die Partei als „Generalsekretär“.

1949-1953

Mit der doppelten Staatsgründung im Jahr 1949 erreichte der Kalte Krieg in Deutschland einen ersten Höhepunkt. Nachdem die Länderparlamente der Westzonen dem „Grundgesetz“ zugestimmt hatten, wurde am 23. Mai die „Bundesrepublik Deutschland“ gegründet. Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik folgte am 7. Oktober. Ihre Verfassung war von einem scheindemokratisch zustande gekommenen „Volksrat“ gebilligt worden. Von nun an bis zur ersten freien Parlamentswahl am 18. März 1990 lag die politische Macht in den Händen der unkontrolliert herrschenden SED-Führung. Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre war aus der SED eine stalinistische Partei nach Moskauer Vorbild geworden. Zahlreiche ehemalige Sozialdemokraten und andere eigenständige Köpfe wurden aus der Partei geworfen; wer blieb, musste sich wie die vielen tausend Neumitglieder der Autorität der Führung unterwerfen. In dem frisch gegründeten Staat stand der „Aufbau des Sozialismus“ auf der Tagesordnung. Die „Staatliche Plankommission“ dirigiert ab jetzt große Teile der Wirtschaft. Das Bildungswesen unterstand scharfer politischer Kontrolle. Die frühe DDR war eine hochmobile Gesellschaft, die jungen Leuten attraktive Aufstiegschancen bot, wenn sie sich der politischen Bevormundung fügten. Wer das nicht wollte, musste mit Repression und schweren Nachteilen rechnen. Junge Christen flogen von der Oberschule oder durften nicht studieren. Zahlreiche kleine Selbständige verloren nach willkürlichen Schikanen ihr Eigentum und die Bauern wurden bedrängt, sich in „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“ (LPG) zusammenzuschließen. Das 1950 gegründete „Ministerium für Staatssicherheit“ baute seinen Spitzel- und Überwachungsapparat auf, die zwei Jahre später geschaffene „Kasernierte Volkspolizei“ trieb die Militarisierung der Gesellschaft voran, zensierte Massenmedien verbreiteten die Nachrichten, die die SED-Parteiführung für richtig hielt. Alles in allem herrschten Anfang der 50er Jahre ein Klima der politischen Einschüchterung und eine dröhnende Propaganda, die die Freundschaft zur Sowjetunion beschwor, den Westen verteufelte und die Bevölkerung zu harter Arbeit anspornte, um die sozialistische Zukunftsgesellschaft aufzubauen. Als am 5. März 1953 der sowjetische Diktator Josef Stalin starb, ging eine Welle der Verunsicherung durch die DDR und die anderen Ostblockstaaten. Politische Ungewissheit, wachsender Unmut über den radikalen Kurs der SED und Unzufriedenheit über die schlechte materielle Lage ergaben eine explosive Mischung, die sich am 17. Juni 1953 in einem Volksaufstand gegen die SED-Diktatur entlud. Nur knapp und nur dank des Eingreifens sowjetischer Truppen konnte sich das Regime an der Macht halten.

1953-1961

Der Schock des Juni-Aufstands saß tief. Bis zum Ende der DDR sollte die politische Führung die größte Krise ihrer Herrschaft nicht vergessen. Die Sowjetunion verordnete einen „Neuen Kurs“, durch den die Härte der zurückliegenden Jahre abgeschwächt, die Kollektivierung der Landwirtschaft gestoppt, einige enteignete Betriebe zurückgegeben und der Kirchenkampf gemildert wurden. Grundlegende Änderungen waren freilich nicht vorgesehen. Mit großem Aufwand bemühte sich die SED-Führung in den nächsten Jahren darum, die vom westlichen Deutschland abgetrennte DDR wirtschaftlich voranzubringen. Das nahe der Oder aus dem Boden gestampfte „Eisenhüttenkombinat Ost“ und andere Großprojekte sollten dem Land eine tragfähige industrielle Basis geben. Je mehr Investitionen in den Aufbau der Schwerindustrie flossen, desto weniger standen allerdings für die Konsumgüterproduktion zur Verfügung, so dass der Lebensstandard der Bevölkerung nur langsam stieg. Erst im Jahr 1958 wurden die Lebensmittelmarken abgeschafft, mit denen seit dem Krieg der Mangel verwaltet worden war. 1956 stand die SED-Führung vor einer neuen Krise, als auf dem XX. Parteitag der sowjetischen kommunistischen Partei erstmals die Verbrechen Stalins seit den 30er Jahren zur Sprache kamen. Mit dem bizarren Stalinkult der SED-Propaganda war es jetzt vorbei, aber würde es auch weitere Schritte in Richtung einer freien Öffentlichkeit geben? Nach einem kurzen Moment der Irritation wurden die wenigen innerparteilichen Kritiker zum Schweigen gebracht und Walter Ulbricht saß wieder fest im Sattel. Die halbherzige „Entstalinisierung“ der folgenden Jahre überlagerte sich mit zwei weiteren Entwicklungen: Erstens schwamm die offizielle DDR nach den sowjetischen Erfolgen in der Raumfahrt (Start des „Sputnik“ am 4. Oktober 1957) auf einer Welle euphorischer Überlegenheitsgefühle. Chemieindustrie, Atomkraft, Flugzeugbau und Automatisierung sollten die sozialistische Wirtschaft auf Erfolgskurs bringen, um den Westen zu überholen. Zweitens setzte das Regime erneut auf Radikalisierung: Die Justiz wurde endgültig unter politische Kontrolle gebracht, die Universitäten erlebten einen weiteren Schub der Ideologisierung und die bäuerlichen Betriebe wurden 1959/60 mit massivem Druck zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit und zum Eintritt in die LPG gezwungen. Als die versprochenen wirtschaftlichen Erfolge ausblieben und immer mehr Menschen den Radikalisierungskurs spürten, stieg die Zahl der „Republikfluchten“ in den Westen erneut an – insgesamt haben zwischen 1949 und 1961 rund 2,8 Millionen Menschen der DDR den Rücken gekehrt.

1961-1971

Mit dem Bau der Mauer zwischen Ost- und West-Berlin war es damit vorbei. Nicht zu Unrecht hat man den 13. August 1961 einmal als „heimlichen Gründungstag der DDR“ bezeichnet. Der Gewaltstreich des Mauerbaus hatte allerdings einen paradoxen Effekt: Einerseits verloren die Ostdeutschen die Möglichkeit, sich der politischen Gängelung, der Unfreiheit und der dürftigen Lebensverhältnisse in der DDR mit dem Kauf eines S-Bahn-Tickets nach West-Berlin zu entziehen. Andererseits schuf die Grenzschließung Spielräume für eine gewisse Lockerung der Herrschaft in der SED-Diktatur. Während der ersten Hälfte der 60er Jahre experimentierte die Parteiführung mit verschiedenen Wirtschaftsreformen, um die ineffektive Planwirtschaft auf Trab zu bringen. Auch auf dem Gebiet der Jugend- und Kulturpolitik gab es Ansätze zu mehr Beweglichkeit. Die verbissene Rhetorik des Kalten Krieges aus dem ersten Jahrzehnt nach der Staatsgründung verblasste. Die DDR wollte sich als moderne sozialistische Industriegesellschaft präsentieren. Der ersten Ansätze einer leichten Entspannung zwischen Ost und West waren spürbar. Mitte der 60er war es mit der Reformbereitschaft allerdings schon wieder vorbei. Zu groß war die Sorge der SED-Führung, dass mehr Entscheidungsspielräume der „Volkseigenen Betriebe“, zu viel Toleranz gegenüber den Lockungen westlicher Jugendkultur und zu wenig Kontrolle über den Kulturbetrieb ihr Herrschaftsmonopol gefährden könnten. Die späte Ulbricht-Ära endete in einer widersprüchlichen Mischung aus gewachsenem Selbstbewusstsein nach außen, kleinlicher Bevormundung nach innen, ängstlicher Unterdrückung unangepasster Geister und großer Versprechungen, deren Einlösung immer weiter in die Zukunft geschoben wurde.

1971-1989

Mit dem Wechsel der Parteiführung von Walter Ulbricht zu Erich Honecker im Jahr 1971 änderte sich manches und vieles blieb gleich. Honecker gehörte seit den Anfängen der DDR zur Führungsriege der SED und war alles andere als ein liberaler Reformer. Aber er sah, dass sich die Menschen nicht unbegrenzt auf eine ferne Zukunft vertrösten ließen. Unter der Parole der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ setzte er darauf, dass sich die DDR-Bürger durch ökonomische Sicherheit und staatliche Sozialleistungen zu mehr Leistung stimulieren lassen und sich mit dem nur mürrisch hingenommenen „real existierenden Sozialismus“ identifizieren würden. Ein ehrgeiziges Wohnungsbauprogramm ließ die Plattenbausiedlungen am Rande der Städte in die Höhe schießen, Kita-Plätze für alle ermöglichten eine europaweit unerreichte Erwerbsbeteiligung der Frauen, Mieten, Lebensmittelpreise und Bustickets wurden massiv subventioniert. Diese spätsozialistische „Fürsorgediktatur“ (Konrad Jarausch) hatte zwei fatalen Nebeneffekte: Erstens verschlang sie riesige Mittel, die für die Modernisierung der Wirtschaft fehlten. Zweitens betrachteten die Bürger die gewährten Wohltaten bald als selbstverständlich: Jede Kürzung drohte ihre missmutige Loyalität zu gefährden. Zusammen mit der im Zuge der Entspannungspolitik wachsenden internationalen Anerkennung der DDR (1973 wurden DDR und BRD in die UN aufgenommen) wurde diese Entwicklung zunächst aber von vielen DDR-Bürgern als Verbesserung wahrgenommen. Ab Mitte der 70er Jahre kippte die Stimmung: Das Regime zog die Zügel an und intellektuelle Kritiker wurden mundtot gemacht – die Ausbürgerung des Sängers Wolf Biermann im Jahr 1976 war nur der bekannteste Fall. Zwar war die politische Repression nicht mehr so offen und brutal wie in den 50er Jahren, dafür breitete sich das Spitzelsystem der „Stasi“ in alle Winkel der Gesellschaft aus. Steigende Rohstoffpreise, wachsende Staatsverschuldung, eine marode Industrie, der Verfall der Altstädte und chronische Versorgungsmängel addierten sich für viele Bürger zu einem spürbar sinkenden Lebensstandard. Die lähmende Unterdrückung der Freiheitsrechte, die wirtschaftliche Misere und der Verlust jeder utopischen Perspektive einer „besseren Moderne“ legten sich wie Mehltau über die DDR der 80er Jahre. In dieser stagnativen Stimmung sahen immer mehr Bürger den einzigen Ausweg darin, irgendwie in „den Westen“ zu gelangen, zumal sich die SED-Führung strikt gegen die Reformimpulse des seit 1985 amtierenden sowjetischen Parteichefs Gorbatschow sperrte. Die Zahl der Ausreiseanträge stieg kontinuierlich an. Nur eine kleine Minderheit engagierte sich seit den späten 70er Jahren in den halb legalen, halb illegalen Friedens-, Frauen-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen, oft unter dem Dach der Kirchen. Als sich Fluchtbewegung und Opposition im Spätsommer 1989 gegenseitig aufschaukelten und das Regime trotz seiner Drohgebärden vor offener Gewalt zurückschreckte, war es erst um die SED-Herrschaft und dann um die DDR geschehen.

Literaturhinweise

  • Frank Bösch (Hg.), Geteilte Geschichte. Ost- und Westdeutschland 1970-2000, Göttingen 2015.
  • Konrad H. Jarausch, Realer Sozialismus als Fürsorgediktatur. Zur begrifflichen Einordnung der DDR, APZ B 20, 1998, 33–46.
  • Ilko-Sascha Kowalczuk, DDR – Die 101 wichtigsten Fragen, München 2009.
  • Ulrich Mählert, Kleine Geschichte der DDR, 7. Aufl., München 2010.
  • Wolle, Stefan, Die DDR. Eine Geschichte von der Gründung bis zum Untergang, Bonn 2015.