
Wahrheit und Unwahrheit
„Antifaschistischer Schutzwall“ – oder doch Gefängnis für die eigene Bevölkerung?
„Antifaschistischer Schutzwall“
war die Bezeichnung für die Berliner Mauer durch die SED. Geprägt hat ihn der Leiter der Abteilung Agitation, als er den Auftrag erhielt, eine ideologische Begründung für den Mauerbau zu erarbeiten. Er wird noch für 1990 mit der folgenden Erklärung zitiert:
„Wir wollten nicht ausbluten, wir wollten die antifaschistisch-demokratische Ordnung, die es in der DDR gab, erhalten. Insofern halte ich meinen Begriff auch heute noch für richtig.“
Walter Ulbricht griff den Begriff sofort auf und integrierte ihn bei der Grußansprache zu einem Parteitag in Moskau in den Friedenskampf, mit dem Ziel, den „Kriegsbrandherd Westberlin“ unter Kontrolle zu bringen.
Antifaschismus“ war seit Gründung des SED-Staats das vorgebliche Ziel der SED-Diktatur. Man wollte sich gegen den Faschismus abgrenzen, der im „Dritten Reich“ Hitlers in Deutschland geherrscht hatte. Die Bundesrepublik sah man als direkte Erbin Hitler-Deutschlands. Deshalb bedeutete „Antifaschismus“ in der DDR auch immer Abgrenzung gegen und Abwehr westlichen Deutschlands.
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Das Kapitel dreht sich um eine Bezeichnung, „Antifaschistischer Schutzwall“, die Ausdruck einer Lüge ist, deren Aufrechterhaltung weitere Konsequenzen nach sich zieht.
In der Einleitungssektion wird die Entstehung der Bezeichnung der Berliner Mauer als „Antifaschistischer Schutzwall“ und deren ideologische Implikation, sich dadurch gegen Westdeutschland zu positionieren, skizziert.
Die Materialspalte umfasst wiederum propagandistisches Material: Sonderbriefmarke 25 Jahr-Feier und Berlinkarte.
Eine Mauer, die gegen die „Faschisten“ aus der BRD schützt und alle machen mit
… oder doch nicht?
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Eine Mauer, die gegen die Antifaschisten aus der BRD schützt und alle machen mit … oder doch nicht?
Die Behauptung „alle machen mit“ wird mit Quellenmaterial, das der Verbreitung der Lüge diente, verdeutlicht:
- Neues Deutschland verkündet und legitimiert den Mauerbau;
- Bericht im DDR-Fernsehen zum Ausbau der Mauer: Es geht um die Erhaltung des durch den Westen gefährdeten Friedens, sagt einer aus den Bautrupps.
- Fotographische Inszenierung der Kampfgruppen als Menschen, die den Mauerbau gegen Angriffe sichern (Blickrichtung allerdings gegen Osten!!).
…oder doch nicht“: wird durch Material repräsentiert, das entgegenstehenden Erfahrungen von DDR-Bürgern zeigt:
- Bilderserie am Morgen des Mauerbaus an der Friedrich-Ebert-Straße: „Protest und Flucht“ konterkarieren die Behauptung der Unterstützung durch das Volk.
- Der Aspekt „Flucht“ wird durch die Verknüpfung mit dem Ankommen hunderter DDR-Flüchtlinge im ersten Halbjahr 1961 und noch am Tag des Mauerbaus im Notaufnahmelager Marienfelde weitergeführt.
- „Flucht“ steht auch im Zentrum des „Sprungs in die Freiheit“ des Grenzsoldaten Schuhmann.
Den Bau des „Antifaschistischen Schutzwalls“ feiern
… ohne auf „Angriffe“ durch den Westen verweisen zu können
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Den Bau des Antifaschistischen Schutzwalls feiern … ohne auf „Angriffe“ durch den Westen verweisen zu können
In der Materialspalte stehen Quellen zu „Feiern“:
- 25 Jahre Mauerbau im Jahr 1986;
- Briefmarke „In Szene setzen der Kampfgruppen“;
- Gedenken an den Mauerbau in der DDR 1987.
In der Textspalte werden in einem Informationstext die Gedenkfeiern der DDR und des vereinten Deutschlands erläutert.
Auf eine Schusssektion wird verzichtet, zumal Ulbrichts „Niemand hat vor, eine Mauer zu bauen“ ja bereits in der Kapiteleinleitung thematisiert worden ist.
Wenn du weiterscrollst, siehst du die weiteren Kapitel zum Thema Wahrheit und Unwahrheit.
Wir schlagen dir weiterhin eine Auswahl an Kapiteln vor, die gut zu dem Profil passen, das du beim Start angegeben hast. Du kannst aber jederzeit auch weitere Themen auswählen, die Dich interessieren.
Den Abschluss solltest du aber nicht verpassen. Er enthält a) eine kurze Zusammenfassung, b) zeigt er, wie Menschen zu Veränderung beigetragen haben und c) hilft er Dir, Dich bei heißen Themen, bei denen es um die Frage „wahr oder falsch“ geht, zu positionieren. Deine Kenntnisse über den Umgang mit Wahrheit und Lüge in der DDR helfen dir dabei.
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Allerdings gilt auch hier, dass nicht jede*r DDR-Bürger*in das so wahrgenommen hat.
- Die Unwahrheiten waren für manche nicht durchschaubar; viele Informationen wurden erst später für jeden zugänglich.
- Andere erkannten zwar, dass gelogen wurde, nahmen das aber nicht so wichtig. Sie passten sich an und hatten deshalb keine konkreten Negativ-Erfahrungen aus einem kritischen Umgang mit Unwahrheiten.
- Wieder andere vertrauten ihrem Staat und wollten deshalb auch glauben, was behauptet wurde.
- Eine letzte Gruppe war selbst Teil des Systems der Produktion und Verbreitung von Unwahrheiten.
Wir wollen, dass du dir selbst eine Meinung bilden kannst.
Deshalb haben wir nicht nur Materialien ausgewählt,
- die die Unwahrheiten offensichtlich machen, sondern auch solche,
- die zeigen, warum sich manche schwer damit taten und tun, zu erkennen und anzuerkennen, dass der Staat letztlich auf Unwahrheiten angewiesen war und mit den Mitteln einer Diktatur zu verhindern versuchte, dass diese offen gelegt wurden.
- Wir wollen zudem an Beispielen verdeutlichen, dass bestehende Spannungsgefüge nur aufzulösen sind, wenn über die Einzelerfahrung hinaus auf größere Zusammenhänge geachtet wird.
Zum Abschluss der einzelnen Kapitel zeigen wir jeweils, wie das nicht-Aushalten können hier von Unwahrheiten zu einem „Motor der Veränderung“ wurde, der schließlich zum Ende der DDR beitrug.