Kindheit und Jugend in der DDR
Dieses Kurzdossier soll dir einen Eindruck davon vermitteln, womit Kinder und Jugendliche in der DDR umgehen mussten und wie sich ihr Leben von dem heutiger Kinder und Jugendlicher unterscheidet.
Wir versuchen dir dazu möglichst viele Aspekte kurz vorzustellen, damit du dir einen Überblick verschaffen kannst. Unter Weitere Materialien findest du Links zu vertiefenden Darstellungen einzelner Teilbereiche auf anderen Websites, wo du noch tiefer in die einzelnen Thematiken eintauchen kannst.
Erziehung zu „sozialistischen Menschen“
Im Sinne der SED und des Gesellschaftssystems der DDR, sollten Kinder zu „sozialistischen Menschen“ erzogen werden.
Dieser Begriff meint auch die Erziehung zu Bürger*innen des Staates, wie wir das gewohnt sind. Gleichzeitig trägt der Begriff aber auch eine ideologische Bedeutung. „Sozialistisch“ sollte verstanden werden als, der Partei und ihren Vorgaben treu ergeben. Gemeint ist das Gegenteil einer mündigen Bürgerschaft. Gewollt waren folgsame und unselbständige Untertanen, welche die Partei nach belieben lenken konnte.
Durch die Jugendorganisationen der SED waren Kinder in der DDR schon von Anfang an Ziel der politisch-ideologischen Beeinflussung.
FDJ und Junge Pioniere
Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und die ihr angegliederte Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ waren die einzigen zugelassenen Kinder- und Jugendorganisationen der DDR. Der Hauptzweck dieser Organisationen war der frühe politische Zugriff auf die Kinder und Jugendlichen, durch die Partei. Durch Freizeitprogramme wurde den Mitgliedern die Ideologie des Staates auf für Jugendliche attraktive Weise näher gebracht.
Gleichzeitig ermöglichte die Mitgliedschaft in der FDJ den Zugang zu höheren Bildungszielen und war auch generell in der Schule vorteilhaft. Wer nicht dazu gehörte, konnte schnell zum Außenseiter werden. Was ganz im Sinne der Idee einer politischen Massenorganisation war.
Heiße Themen
Die FDJ gibt es noch heute als politisch aktive Organisation. Sie vermitteln auf ihrer Website und durch Kampagnen gefährliches, ideologisch geladenes Gedankengut.
Links zum Thema
Viele ehemalige Mitglieder der FDJ erinnern sich teils gerne an diese Zeit zurück in der sie an Zeltlagern und anderen großen Veranstaltungen teilgenommen hatten. Das war ein Teil ihrer Jugend gewesen, der Abwechslung zum Alltag ermöglichte und in dem man sich selbst auch profilieren konnte. Man bekam Auszeichnungen und Orden für Leistungen verliehen, man konnte Verantwortung übernehmen und an einer Gemeinschaft mitwirken. So etwas motiviert junge Menschen. Deshalb hatte die SED das Konzept einer Jugendorganisation auch eingesetzt, um den Nachwuchs für die eigene Sache zu gewinnen.
Die möglichen Vergünstigungen, die man durch einen Beitritt in die FDJ erlangen konnte, der Weg zum Studium, oder die Teilnahme eben an Zeltlagern, führte aber auch dazu, dass Jugendliche der Organisation beitraten, obwohl sie nicht von den politischen Ideen dahinter überzeugt waren. Das führte dazu, dass gegen Ende der DDR über 80% der Jugendlichen Mitglieder in der FDJ waren. Die meisten davon waren jedoch vermutlich nicht von der Sache überzeugt sondern waren dabei, um nicht anzuecken und Benachteiligungen zu vermeiden.
Hinter diesen verschiedenen Perspektiven stehen verschiedene Erfahrungswerte. Ehemalige DDR Bürger, die weniger betroffen von Staatsgewalt oder staatlichen Einschränkungen waren, erinnern sich an positive Aspekte der FDJ, während stärker Betroffene die Jugendorganisationen als etwas negatives in Erinnerung haben können. Wurde man von einem FDJ Gremium für einen Verstoß gegen die Schulordnung bestraft, hatte man vermutlich weniger gute Assoziationen mit diesen Vertretern des Regimes im Kleinen.
Auf der hier verlinkten Seite finden sich unterschiedlichste Meinungen und Aussagen zur FDJ durch ehemalige DDR Bürger.
Mein Halstuch ist blau.
Ich trage es gern,
es schmückt mich an festlichen Tagen.
Und was es bedeutet, das weiß ich genau,
ich ließ es von Mutti mir sagen:„Die Ecken“, so sagte Mutti zu mir,
„gib acht, du mußt es verstehn,
sind Elternhaus, Schule. Und Du, Pionier!
Gemeinsam wollen wir gehn.[…]
Wir Eltern und Lehrer beraten dann
daß ihr es lernt, Schritt für Schritt
euer Leben zu meistern und klug zu sein
für unsere Republik.
[…]
Das ganze Gedicht findet sich auf dieser Website, ursprünglich aber in einem Kinderbuch genannt „Geschichten aus Knirpsenstadt (Tooltipp als Zitat?: Geschichten aus Knirpsenstadt, Ein Beschäftigungsbuch für Kinder von 8 Jahren an, hg. v. in Zuammenarbeit mit d. Redaktion Kinderradio, zusammengestellt v. Christel Wenzlaff, Illustration u. Beschäftigungsteil v. Inge Gürtzig, 2. Aufl., Pössneck 1972, o. S.)“.
Dieses Gedicht für Kinder beschreibt das blaue Pioniershalstuch. Ein an sich einfaches Halstuch, das von der Partei bewusst ideologisch aufgeladen wird. Die Ecken des Halstuchs werden als „Elternhaus“ und „Schule“ (Z.8) interpretiert, der Knoten als der junge Mensch. Dem/der jungen DDR Bürger/Bürgerin wird also beigebracht, das Staat, hier Schule, und Elternhaus, also Familie, auf einer Stufe stehen und das wichtigste um den jungen Menschen herum sind.
Die vierte Strophe, hier die dritte, soll die Kinder an die Republik heran führen und ihnen beibringen, dass das Meistern des eigenen Lebens mit dem Wert für die Republik direkt zusammen hängt. Die Kinder werden hier schon beeinflusst, um den Staat und ihren eigenen Wert für diesen als höchstes Gut zu verstehen.
Schule, Bildungssystem, Militarisierung
In der DDR wurde man schon früh mit militärischen Dingen konfrontiert. In der Schule gab es ein Fach namens „Wehrunterricht“, in dem Schüler*innen mit theoretischen Grundlagen der Kriegsführung und praktischen Übungen in sogenannten „Wehrverteidigungslagern“ vertraut gemacht wurden. In der Fachsprache nennt man das „Militarismus“. Die Durchsetzung einer Gesellschaft mit militärischem Gedankengut.
Historischer Kontext
Mit verschiedensten Methoden versuchten die Schulen, geleitet und gesteuert von der Regierung, die Schüler zu beeinflussen. Dieser Einfluss nimmt Ausmaße einer Indoktrination (Tooltipp: Indoktrination = bezeichnet eine gezielte, massive Manipulation der Einstellung, Meinung oder Werthaltung von Individuen oder (gesellschaftlichen) Gruppen durch gesteuerte, einseitige Information, unter Einsatz psychologischer Techniken oder unter Zwang. Ziel ist die Unterdrückung selbstständigen Denkens, die Verhinderung (politischer) Kritik und/oder eine ideologische Gleichschaltung. Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2020. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.) an.
- Ab der 7. Klassenstufe hatten die Kinder regelmäßig Berufsberatung. Diese Berufsberatung diente dazu die Kinder in Berufe zu lenken, die innerhalb der Planwirtschft benötigt wurden. Interessant ist hier das Verständnis des Begriffs „Berufsberatung“. Die heutige Berufsberatung dient dazu, zusammen mit dem Ratsuchenden einen Beruf zu finden, der zu dem Individuum passt, während in der DDR versucht wurde den Ratsuchenden zu manipulieren und ihn in die Planwirtschaft einzugliedern. Man hat den Beratenen also versucht einen benötigten Beruf schmackhaft zu reden.
- Ab der 7. Klasse kam ausserdem Staatsbürgerkunde (Tooltipp: Ein Fach in dem Kommunismus und Kapitalismus, sowie marxistische Ideale und sovietische Einheit beispielsweise unterrichtet wurden. Dieses Unterrichtsfach war stark beeinflusst durch die SED und bildete kein neutrales und objektives lehren ab.) und ab der 9. Klasse Wehrkunde (Tooltipp: In diesem Fach lernten die Jungs den Umgang mit Handgranaten und Gasmasken, unter anderem, während die Mädchen das Evakuieren und Erste Hilfe lernten. Dem Besuch dieser Unterrichtsstunden konnte man, auf Antrag, fern bleiben, dies verhinderte jedoch das Vorrücken auf eine weiterführende Schule.) hinzu.
- Ein Kriterium für das weiterrücken auf eine höhere Schule war gesellschaftliches bzw. politisches Engagement. Dazu galt auch, wer Mitglied der FDJ war hatte es hier deutlich leichter, oft ging es sogar soweit, das Nicht-Mitglieder der FDJ nicht vorrücken konnten.
Links zum Thema
In den vorliegenden drei Links finden sich die verschiedenen Schulgesetze der DDR. In diese Gesetze fliesen im Laufe der Zeit immer mehr die Ideale und sozialistischen Vorstellungen der SED ein:
15. Dezember 1950 Die erste Auflage des Schulpflichtgesetzes
2. Dezember 1959 Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR
25. Februar 1965 Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem
Nischen und Subkulturen
Junge Menschen suchen sich Nischen, sie wollen irgendwo dazugehören aber die Ideen der Eltern sind „spießig“ oder „doof“. Diese Suche nach dem eigenen Ich und dem was man werden will machen die meisten Jungen Menschen irgendwann durch.
In der DDR bedeutete das aber auch gegen den Staat zu opponieren und anzuecken. Was in freien Gesellschaften als Ärgernis und die Verirrungen Junger Leute abgetan wird, war in einer Diktatur wie der DDR eine potenzielle Gefahr für das System. Entsprechend hart wurde teilweise gegen Junge Menschen vorgegangen, die sich der Vereinnahmung durch die Politik der SED aktiv entziehen wollten.
Historischer Kontext
Beispiele der Einschränkung:
- 60% der in Diskotheken gespielten Musik muss aus sozialistischen Ländern kommen.
- Es gibt Westmusik, die Platten werden aber teilweise zu Preisen von 100 Ostmark gehandelt.
- Westmusik wird aufgenommen auf Tonbänder, allerdings ist der Besitz solcher nicht erwünscht, er wird sogar bestraft.
Jugendkulturgruppen wie Punks oder Blueser existieren. Jugendliche versuchen sich hier auszuleben und anzuecken. Innerhalb dieser Gruppen finden sie Gleichgesinnte, sie konsumieren Musik, kleiden sich szenentypisch und leben häufig ihre kreative und jugendliche Seite in ihrer Freizeit aus.
Allerdings leben sie in ständiger Gefahr ihre zukünftigen Karieren zu verbauen, in Umerziehungseinrichtungen eingewiesen oder im schlimmsten Falle ins Gefängnis gesteckt zu werden.
Links zum Thema
Es gab in der DDR durchaus Jugendbewegungen, beispielsweise die Blueser. Sie ähneln den Hippies im Kleidungsstil und im freiheitlichen Gedankengut, sowie der konsumierten Musik. Sie waren meist junge Menschen und reisten ihren Lieblingsbands, durch das Land, hinterher.
Für die Stasi allerdings sind diese Jugendlichen „Gammler“ und Feinde des Staates. Sie werden regelmäßig, häufig grundlos, Opfer der Staatssicherheit und der Volkspolizei. Sie passten von ihrem Aussehen und dem Gedankengut nicht in das Bild eines idealen DDR Bürgers, daher ging der Staat aggressiv, gegen verschiedenste Jugendbewegungen, vor.
Viele der Erwachsenen verstanden diese Szene nicht und waren angewidert von ihrer Freizügigkeit, öffentlichem Sex oder der Tatsache, das viele Jugendliche, die Festivalartige Konzerte besuchten und einfach in der Natur oder in den Dörfern unter freiem Himmel schliefen.
Inhaltselement
Aktiver Widerstand (Proteste) und Staatsgewalt, resultierend blockierte Karrierewege
Proteste und Widerstand von Jugendlichen wurden auf unterschiedliche Art und Weise bestraft. Das Spektrum der verschiedenen Strafen reicht von, Mitgliedern der Punkszene wurden die Irokesen Frisur abrasiert, bis zu Hausdurchsuchungen und Freiheitsentzug.
Historischer Kontext
In der Theorie gab es zwar den Artikel 28, der Verfassung der DDR, allerdings kam dieser in der Praxis nur Verfassungskonform zur Anwendung. Proteste mussten in der Diktatur angemeldet und genehmigt werden von der SED. Staatskritische Demonstrationen wurden nicht genehmigt, dadurch wurde öffentliches, organisiertes Protestieren gegen Missstände innerhalb der Republik unmöglich.
Mittels des Paragrafen 220 konnten Inhaftierungen und Festnahmen legitimiert werden, aus Gründen wie beispielsweise das Hören bestimmter Interpreten, Elvis Presley beispielsweise, oder das Tragen bestimmter Klamotten.
Links zum Thema
Weitere Informationen zu verschiedenen Jugendkulturen, deren Proteste und einhergehend Konsequenzen findest du hier.
Hier findest du ein ausführliches Video zur Jugend in der DDR, von MrWissen2Go.