
Repression
Politische Justiz: Wenn ein Staat kein Rechtsstaat ist,
… sind der Repression Tür und Tor geöffnet
a) Rechtsstaatlichkeit?
b) Ist die DDR dann ein „Unrechtsstaat“?
Darüber wird bis heute heftig gestritten. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass Unrechtstaat kein rechtlicher, sondern ein politischer und moralischer Begriff ist. Die vier angeführten Positionen regen zu einem Vergleich an.
Ist die DDR dann ein „Unrechtsstaat“?
Darüber wird bis heute heftig gestritten. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass Unrechtstaat kein rechtlicher, sondern ein politischer und moralischer Begriff ist. Die vier angeführten Positionen regen zu einem Vergleich an.
Die DDR war kein Rechtsstaat – auch wenn es so scheinen sollte
Die Aussage, die DDR sei kein Rechtsstaat gewesen, ist in der Forschung und bei den allermeisten Menschen, die sich mit der DDR befassen, unstrittig. Belege dafür sind z.B.:
- Aussagen in der Verfassung der DDR und Verfassungswirklichkeit klafften weit auseinander.
Alle in der Verfassung eingeräumten Grundrechte standen unter den Vorbehalt des ersten Artikels:
„Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land unter der Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.“ (Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung vom 7. Oktober 1974)
Dieser Artikel setzt die Partei über alles andere. Das Parteilied der SED bring das klar zum Ausdruck: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht…“.
- In der DDR gab es keine unabhängige Gerichtsbarkeit. Gerichte und Staatsanwaltschaften mussten den Anweisungen der SED folgen. Sie sicherten durch die Verfolgung politischer Gegner und Abweichler von den Vorgaben der Partei die Herrschaft. Nach heutigen Recherchen gehen wir davon aus, dass etwa 250.000 Menschen in der DDR aus politischen Gründen verurteilt wurden. Die Betroffenen konnten die Urteile nicht gerichtlich anzufechten, weil es weder Verwaltungsgerichte noch ein Verfassungsgericht gab. Repressiven Maßnahmen waren so Tür und Tor geöffnet.
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In diesem Kapitel werden Grundinformationen zum Begriff „Rechtstaat“ gegeben. Er basiert auf dem Vorrang des Rechts und schützt die individuellen Freiheiten und Rechte der Bürger*innen. Den rechtstaatlichen Prinzipien widerspricht „politische Justiz“, in der die Anwendung des Rechts nicht unabhängig und neutral erfolgt, sondern instrumentalisiert wird, um politische Interessen zu verfolgen.
Die DDR war kein Rechtsstaat – auch wenn es so scheinen sollte
Rechtsstaat bzw. Rechtsstaatlichkeit wird auf der Materialspalte noch einmal durch ein „Erklärvideo“ von Mirko Drotschmann, alias MrWissen2Go, aufgegriffen. Dieses Video hat dieser für das Projekt „MitBeStimmen in Demokratie und Diktatur“ der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur aufgenommen (es handelt sich dabei um ein Kooperationsprojekt der Bundesstiftung und des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/vermitteln/bildung/mitbestimmen-demokratie-diktatur).
Die weiteren Materialien befassen sich mit der kontrovers geführten Diskussion, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Die Kontroverse wird mithilfe von zwei Argumentation für „Unrechtsstaat“, einer Positionierung dagegen und einer abwägenden Positionierung dargestellt, aber nicht näher kommentiert. Auch hier sollen Materialien angeboten werden, die eine eigene Positionierung unterstützen. Weiterführend wird eine Quelle angeboten: §2 des Gerichtsverfassungsgesetz der DDR (1952/1959) zu den Aufgaben der Rechtsprechung.
Wie hängen fehlende Rechtstaatlichkeit und Repression zusammen?
Der Rechtstaat garantiert, dass Recht und Gesetz für alle gelten, für die politisch Verantwortlichen, für Organe der Staatsgewalt, für jeden Bürger und jede Bürgerin – immer und in allen Situationen. Im Rechtsstaat können Bürger*innen sich gegen Repression zur Wehr setzen, also gegen die Unterdrückung von Kritik, Widerstand und politischen Bewegungen und gegen Maßnahmen, die individuelle Entfaltung und die Befriedigung individueller Bedürfnisse einschränken.
Repression hatte in der DDR viele Gesichter. Sie konnte brutal sein, mit körperlicher Gewalt, Verschleppungen, Zwangsarbeit, hohen Gefängnisstrafen einhergehen. In diesem Fall richtet sie sich vor allem gegen einzelne Personen.
Spätestens seit den 1970er Jahren wurden verstärkt weniger sichtbare, oft nicht-strafrechtliche Methoden zur Einschüchterung und Disziplinierung angewendet. Diese „weicheren“ Methoden der Repression richteten sich nach wie vor gegen die Menschen, die die SED als Bedrohung ihrer Alleinherrschaft empfand, bezogen ihr Umfeld aber bewusst mit ein.
Zur Strategie der Repression gehörte auch, alle Bürger*innen mit der Möglichkeit zu konfrontieren, selbst von Repressionen betroffen zu sein, dass sie sich zum Abwägen der Kosten und Nutzen von Widerspruch gezwungen sahen.
Anlasslose Kontrollen der sozialistischen Einstellung im Alltag förderten die Entscheidung, sich zumindest nach außen hin anzupassen. „Angst ist der Kitt der Diktatur“, sagte Roland Jahn, ehemaliger Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, einmal.
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Wie hängen fehlende Rechtstaatlichkeit und Repression zusammen?
Die Sektion verdeutlicht den Zusammenhang zwischen fehlender Rechtstaatlichkeit und Repression noch einmal explizit. Sie unterscheidet harte und weichere Formen der Repression und benennt Angst als Kitt von Diktaturen.
Materialseite:
- Einordnung „weiche Formen“, die zugleich verdeutlicht, dass „weich“ nicht harmlos heißt.
- Zeitzeugen- Auszüge zu unterschiedlichen Repressionserfahrungen:
- Tobies: Alle wissen, dass der Vater bei der Stasi war, aber niemand sagt ihr das.
- Karls: In seiner Stasiakte wird ein Telefonat zitiert, das abgehört wurde, um seine Unzuverlässlichkeit zu belegen.
- Jarmatz: Lehnt die Anwerbung als IM ab und fürchtet um den Verlust seiner Arbeitsstelle als Wissenschaftler.
- Rautenkranz: Was man nicht kennt, kann man auch nicht vermissen.
- Mahnke: Ist es seit jeher gewohnt sich anzupassen.
- Perschke: Nachdem der Mann bei einer Besuchsreise im Westen blieb, darf die Tochter kein Abitur machen.
- Richthofen: Zersetzungserfahrung eines Pastors.
Nach Recht und Gesetz? Politische Justiz im Sinne der Partei
Dass es für die Bürger*innen der DDR keine Rechtssicherheit gab, galt in besonderem Maße für die politische Justiz, bei der es letztlich um die Unterdrückung von Widerstand und Opposition mit den Mitteln des Strafrechts ging. Politische Justiz begann in der DDR in der Regel mit einer plötzlichen Untersuchungshaft und endeten oft mit einer Haftstrafe.
Die Stasi als „Schild und Schwert der Partei“ hatte dabei sowohl Untersuchungsrechte wie strafrechtliche Zuständigkeiten. Die Abgrenzung zur Zuständigkeit anderer Untersuchungsorgane (Volkspolizei, Kriminalpolizei, Zollfahndungsdienst) war unscharf. Die Stasi konnte Straftaten an sich ziehen, sofern sie Bedeutung für die Sicherheit von Staat und Partei hatten bzw. eine solche behauptet wurde.
Politische Häftlinge waren während der Zeit des Ermittlungsverfahrens oft in Haftanstalten der Stasi untergebracht, wo sie weitgehend von der Außenwelt isoliert waren. Bekannt und berüchtigt ist das zentrale Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen in Berlin.
In als bedeutsam eingeschätzten politischen Prozessen waren Staatsanwälte und Richter eng an die Vorgaben von SED und Stasi gebunden.
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Politische Justiz: Recht und Gesetz – im Sinne der Partei
Diese Sektion fokussiert die Stasi sowie die fehlende Gewaltenteilung und nimmt in dieser Hinsicht eine weitere Konkretion von „Rechtsstaatlichkeit“ vor.
Materialspalte:
- Helge Heydemeier (= Direktor Gedenkstätte Hohenschönhausen) unterscheidet im Experteninterview legalistische und politische Justiz.
- Wolfgang Thierse erklärt, warum er in der DDR nicht Jura studieren wollte.
- Zwei Stasi-Akten, die die Rolle der Stasi bei der Ermittlung (–> gegen Jugendliche wegen Rowdytums) und den Einfluss beim Strafmaß (–> vorzeitige Freilassung verfügt) verdeutlichen.
Das „neue Strafrecht“ besteht aus „Gummiparagrafen“. Was heißt das?
1968 wurde das so genannte „neue Strafecht“ erlassen. Es galt bis zum Ende der DDR. Im Kapitel „Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik“ sah es einige Straftatbestände vor, die als staatsfeindlich betrachtet und entsprechend hart bestraft wurden.
Diese Paragrafen waren „Gummiparagrafen“, weil bewusst offen gehalten war, auf welche Strafbestände sie sich bezogen. Mit Hilfe der Paragrafen 106 (Staatsfeindliche Hetze), 107 (Staatsfeindliche Gruppenbildung) oder 99 (Landesverräterische Nachrichtenübermittlung) wurde z.B. die Wahrnehmung von bürgerlichen Grundrechten wie das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit oder auf Versammlungsfreiheit bestraft. Mit §219 (Ungesetzliche Verbindungsaufnahme) und §220 (Staatsverleumdung) wurde insbesondere Kritik an Mitgliedern der SED-Führung verurteilt. §215 (Rowdytum) und §217 (Zusammenrottung) wurden oft jungen Leuten vorgeworfen.
Opfer von Repressionen durch politische Justiz konnte auf diese Weise jeder und jede werden, auch Mitglieder aus den eigenen Reihen. So stellte die SED Kontrolle auch nach innen sicher.
Links zum Thema
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Was ist mit „Gummiparagraf“ gemeint?
Diese Sektion zeigt, wie durch Aufnahme neuer Artikel ins Strafgesetzbuch die ideologisch begründete Kriminalisierung strafrechtlich relevant wurde.
Was Gummiparagrafen bedeutet, wird auf der Textspalte an konkreten Beispielen verdeutlicht und auf der Materialspalte nochmals vertieft betrachtet.
Wir haben für Dich aufgrund deines Profils einen geführten Durchgang durch das Thema „Repression – auf Dauer nicht aushaltbar“ vorbereitet. Wenn dich zusätzlich noch ein anderes Kapitel interessiert, klick es an!
Am Ende solltest du dich mit dem Abschlusskapitel befassen.
Dort bekommst du nicht nur eine kurze Zusammenfassung zu Repressionen in der DDR.
Du erfährst auch, wie Menschen, für die die Repressionsmaßnahmen ihres Staates nicht mehr aushaltbar waren, zu „Motoren der Veränderung“ wurden. Wir stellen Dir dazu das Beispiel der BLUES-Messen in einer Berliner Kirche vor.
Dass es Dir nützt, Dich mit Repression in einer Diktatur auseinandergesetzt zu haben, verdeutlichen wir zum Schluss am „Heißen Thema“ Polizeigewalt bei uns in Deutschland.
Sei gespannt!