
Repression
Politischer Häftling in der DDR sein – harte Repression am eigenen Leib erfahren
Was sind politische Häftlinge?
Beispiel aus einem „Untersuchungsvorgang“ wegen eines Fluchtversuchs
Was unterscheidet politische Haft vom Eingesperrt-Werden z.B. wegen Raub oder Mord?
Jemanden einzusperren, bedeutet einem Menschen das Grundrecht zu entziehen, sich frei zu bewegen. In Rechtsstaaten ist die Voraussetzung dafür, von einem staatlichen Gericht in einem fairen und transparenten Prozess für ein Verbrechen schuldig gesprochen zu werden. In einem fairen Prozess müssen die Vorwürfe klar und nachvollziehbar von einer Staatsanwaltschaft vorgebracht werden. Jede*r Beschuldigte muss sich verteidigen können. Dabei muss er*sie einen Rechtsbeistand erhalten, das heißt: Jede*r Angeklagte muss durch einen Anwalt oder eine Anwältin verteidigt werden können. Das Gericht muss unabhängig sein und wenn begründete Zweifel an der Unabhängigkeit bestehen, muss es abgelehnt werden können. Die Haftstrafe muss verhältnismäßig sein, also in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verbrechens stehen.
Von „politischen Häftlingen“ spricht man dann, wenn nach den genannten rechtsstaatlichen Grundsätzen das Verhalten des Häftlings den Freiheitsentzug nicht gerechtfertigt hätte. In der DDR sind ca. 250.000 Menschen ohne rechtstaatliche Basis verurteilt worden.
Aus Sicht des SED-Staates hat es keine politischen Häftlinge in der DDR gegeben. Die Verurteilten, so die Auffassung der Staatsführung, hätten „Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik“ begangen und seien deshalb „kriminell“ gewesen. Gegen diese Behauptung spricht, dass die Tatbestände im Strafgesetz nicht „klar und nachvollziehbar“ geregelt waren, sondern als „Gummiparagrafen“ auf jedes politisch unerwünschte Verhalten angewandt werden konnten.
Außerdem zeigen die so genannten „Untersuchungsvorgänge“, die über so gut wie jeden aus politischen Gründen Inhaftierten bei der Stasiunterlagenbehörde vorliegen, dass die nach außen „rechtsförmigen Verfahren“ nur Fassade für politische Maßnahmen waren. Die „Untersuchungsvorgänge“ enthalten neben den offiziellen Akten (Haftbefehl, Anklageschrift, Urteil u.a.) auch nicht legale Dokumente wie z.B. Ermittlungsergebnisse von IMs, psychologische Einschüchterungs- und Manipulationsmethoden, Spitzelberichte von Mithäftlingen und den internen Schriftverkehr zwischen Staatsanwaltschaft und Stasi.
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Was unterscheidet politische Haft vom Eingesperrt-Werden z.B. wegen Raub oder Mord?
In dieser Sektion werden zuerst rechtsstaatliche Verfahren beschrieben, die in demokratischen Staaten zu Haft führen können. Als Grundlage für die Auseinandersetzung mit politischer Haft in der DDR wird definiert, was völkerrechtlich unter „politischer Häftling“ verstanden wird. In der DDR traf dies auf ca. 250.000 Menschen zu. Der Fokus liegt anschließend auf der Kriminalisierung von politisch unerwünschtem Verhalten in der DDR und dem damit verbundenen scheindemokratischen Vorgehen. Um dies zu konkretisieren erfolgt der Hinweis auf „Untersuchungsvorgänge“ als nach außen hin „rechtsförmige Verfahren“ und auf die realen Umstände mit Manipulationsmethoden, Spitzelberichten von Mithäftlingen und den internen Schriftverkehr zwischen Staatsanwaltschaft und Stasi.
Materialspalte:
- Block eins:
- DDR-Verfügung: Es gibt keine pol, Häftling in der DDR;
- Karl Wilhelm Fricke, politischer Häftling in der DDR schildert demgegenüber seine Erfahrungen;
- In einem vorgelesenen Rechtstext aus der neuen Bundesrepublik wird die Rehabilitation“ politisch Verurteilter DDR-Bürger vorgestellt.<
- In Block zwei wird ein Untersuchungsvorgang zu einem gescheiterten Fluchtversuch aus Stasiakten skizziert.
Was bedeutet Haft wegen ungesetzlichem Grenzübertritt für die inhaftierten Menschen?
Was bedeutet Haft wegen ungesetzlichem Grenzübertritt für die inhaftierten Menschen?
Die Stasi- Untersuchungsgefängnisse – Warum sind sie Orte extremer Repression?
In vielen Staaten können Personen vor einem Gerichtsverfahren in Untersuchungshaft genommen werden, wenn die Gefahr besteht, dass sie fliehen oder Beweise beeinträchtigen könnten. Die Untersuchungshaft muss von einem Richter durch einen Haftbefehl angeordnet werden. Sie erfolgt zeitlich begrenzt und in staatlichen Gefängnissen. Die Kommunikation mit Anwälten und Familienangehörigen muss gewährleistet sein, ebenso weitere klar geregelte Bestimmungen eines menschwürdigen Strafvollzugs. Eine Arbeitspflicht besteht, anders als bei verurteilten Häftlingen, nicht.
U-Haft in der DDR: Was hieß das?
In der DDR waren Untersuchungshäftlinge, sofern die Stasi wegen „staatsgefährdendem Verhalten“ gegen sie ermittelte, meist nicht in staatlichen, sondern in Stasi-Untersuchungs-Gefängnissen untergebracht. Weder Familienangehörige noch Anwälte durften sie besuchen. Durch zum Teil brutale Verhörmethoden sollten sie verängstigt, zu Geständnissen und zur Aufgabe ihres „staatsgefährdenden“ Verhaltens gebracht werden. Ehemalige Häftlinge berichten u.a. über nächtliche Dauerverhöre, Bedrohungen mit Maßnahmen gegen Familienangehörige, unmenschliche Haftbedingungen, die u.a. den Schlaf beeinträchtigten. Alle eigentlich normalen Rechte von Inhaftierten, wie Besuchs-, Schreib-, Lese- oder Einkaufserlaubnis, Freigang, Versorgung mit Zigaretten, Kaffee oder Ähnliches, wurden nicht als „normal“, sondern als besondere Belohnung behandelt und von den Vernehmungsoffizieren der Stasi eingesetzt, um die Inhaftierten zu Aussagen zu bringen.
Die brutalen Repressionsmaßnahmen in Stasi-Haft sprachen sich trotz des Geheimhaltungsgebots in der Bevölkerung herum und sorgten für Angst. So wirkten sie zugleich als „weiche“ Repression.
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Ausdruck harter Repression: die Stasi-Haftanstalten für die politischen Untersuchungshäftlinge
Im ersten Schritt werden wieder die rechtsstaatlichen Bedingungen von Untersuchungshaft skizziert. Vor diesem Hintergrund wird sodann die U-Haft bei Verdacht auf „staatsgefährdendes Verhalten“ in einem nicht staatlichen Stasi Gefängnis charakterisiert. Dabei werden auch die Stasimethoden des Umgangs mit den Häftlingen vorgestellt. Zudem wird kurz auch auf die Angst, dass man unter diesen Bedingungen verhaftet werden könnte, als Form weiche Repression eingegangen.
In der Materialspalte finden sich eine Karte zur geographischen Verteilung der DDR Gefängnisse, Statistiken zu den Verfahrensergebnissen und den Verhaftungsgründen und eine graphische Darstellung der U-Haftdauer.
Warum bespitzeln Häftlinge andere Häftlinge?
Nicht nur in den Untersuchungsgefängnissen der Stasi, auch im staatlichen Haftvollzug gab es Häftlings-Spitzel. Diese hofften auf Strafrabatt oder Hafterleichterungen. Ersteren erhielten sie selten, weil sie der Stasi im Gefängnis nützlicher waren. Mit der Stasi arbeiteten nicht nur die Häftlings-Spitzel zusammen, sondern auch das Aufsichtspersonal. Die Polizisten, die als Aufseher arbeiteten, setzten die unmenschlichen Haftbedingungen durch, von denen die ehmaligen Häftlinge berichten.
Ehemalige Untersuchungshäftlinge berichten davon, dass sie sich, insbesondere nach Tagen der Isolationshaft in Einzelzellen, auf Gespräche mit angeblich mitfühlenden Mithäftlingen eingelassen hatten, die behaupteten, dieselben Erfahrungen gemacht zu haben. Tatsächlich handelte es sich um speziell als Spitzel auf sie angesetzte Häftlinge, so genannte „Zellen-Spitzel“. Sie sollten alles in Erfahrung bringen, was mit den staatskritischen Handlungen der „Politischen“ zu tun hatte, insbesondere auch Namen von Gesinnungsgenossen. Manchmal hatten sie auch den Auftrag, Zersetzungsmaßnahmen einzuleiten, also die Mithäftlinge psychisch noch zusätzlich unter Druck zu setzen.
Nach der Verurteilung zur Haftstrafe wurden politische Häftlinge oft gezielt mit „Kriminellen“ zusammengelegt, also Mördern, Betrügern, Räubern). Die Stasi ging davon aus, dass diese eher bereit wären, die „Politischen“ zu bespitzeln. Neben den Spitzeln wurde auch in den Gefängnissen technische Hilfsmittel zur Überwachung der Häftlinge eingesetzt.
Links zum Thema
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Spitzeln für die Stasi: Wenn Häftlinge Häftlinge überwachen
Ein eher deskriptiver Block beschreibt diese Strategie der Stasi, an Informationen zu kommen.
Beispiel hierfür finden sich in der Materialspalte in Form eines Zeitzeugenberichts über die Haft und die „Zellen-Spitzeln“ in Hohenschönhausen sowie in Form zweier Fotographien von original Abhörinstrumenten in den DDR-Gefängnissen.
Wie verdient die DDR mit Häftlingen Geld?
In der DDR gab es einen Arbeitszwang für Häftlinge. Sie konnten für Arbeiten innerhalb des Gefängnisses herangezogen werden, in der Küche, in der Gebäudereinigung und -erhaltung, etc. Vor allem aber wurden sie zur Arbeit für regionale Betriebe eingesetzt. Für diese war es attraktiv, Häftlinge als billige Arbeitskräfte zu beschäftigen. Häftlinge hatten keinen Anspruch auf Urlaub. Auch auf Arbeitsschutz musste weniger geachtet werden, was zur Folge hatte, dass Arbeitsunfälle bei Strafgefangenen vielfach häufiger vorkamen als bei anderen Arbeitskräften.
In der Forschung geht man davon aus, dass es keine zentrale Anweisung gab, politischen Gefangenen bei der Häftlingsarbeit schlechter zu behandeln als andere Häftlinge. Das brauchte s aber auch gar nicht, denn politische Häftlinge wurden schon von ihren Mithäftlingen gepiesackt. „Kriminelle“ hatten oft einflussreiche Funktionsstellen inne und konnten „Politische“, z.B. zu härterer körperlicher Arbeit oder besonders monotoner Tätigkeit einteilen.
Offiziell diente die Häftlingsarbeit der „Erziehung“ zur überzeugten sozialistischen Persönlichkeit. Tatsächlich ging es aber auch um Geld. Die Häftlinge sorgten dafür, dass Betriebe ihre Arbeitsnorm erfüllen konnten. Sie produzierten als billige Arbeitskräfte Waren, die in den Westen verkauft wurden. Der Verkauf solcher Waren brachte der DDR mehrere Millionen in Devisen ein. Haftarbeit war für das System also ein gutes Geschäft.
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Häftlingsarbeit: Wie die DDR mit Häftlingen Geld verdiente
In dieser Sektion wird der in der DDR geltende Arbeitszwang geschildert und es werden die Konsequenzen aus diesem angerissen – neben denen für die Häftlinge, auch die für die Wirtschaft. Angesprochen wird auch der Verkauf von Häftlingsware in den Westen. Sodann wird auf die Frage eingegangen, ob politische Gefangene bei der Häftlingsarbeit noch schlechter behandelt wurden als andere Häftlinge. Dabei werden die vorherrschenden Häftlingshierarchien kurz geschildert, die staatliche Eingriffe an dieser Stelle eher unnötig machten. „Politische“ Häftlinge wurden oft von den dazu autorisierten Mithäftlingen zur härteren körperlichen Arbeit oder besonders monotoner Tätigkeit eingeteilt.
Materialspalte:
Bei den ersten Materialien wird der Fokus auf Häftlingsarbeit im Westen gelegt. Darauf folgt ein Auszug aus dem Merkblatt des Justizministeriums zu Strafrechtlicher Rehabilitierung (2023), der sich mit Fragen des Umgangs mit Häftlingsarbeit nach 1990 auseinandersetzt (Rehabilitations- und Entschädigungsleistungen). Schließlich folgen Zeitzeuginneninterviews aus der Scroll-Story zum Frauengefängnis Hoheneck sowie ein Zitat der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur zur Zwangsarbeit.
Häftlingen (ver)kaufen?
„Politische Häftlinge und Ausreisewillige als Exportschlager der DDR“
3,4 Milliarden DM nahm die DDR dadurch ein, dass die BRD zwischen 1963 und 1989 rund 33.000 politische Gefangene freikaufte und für gut 200.000 Ausreisegenehmigungen im Rahmen der „Familienzusammenführung“ bezahlte.
Der Häftlingsfreikauf wurde gut 25 Jahre lang praktiziert, anfangs weitgehend im Verborgenen, später öffentlicher.
Dabei verfolgten die Bundesrepublik Deutschland und die DDR unterschiedliche Ziele. Die BRD wollte politischen Häftlingen helfen und gleichzeitig auch moralische Überlegenheit demonstrieren. Die DDR wollte unliebsame Kritiker*innen und „Systemfeinde“ loswerden und Devisen einnehmen, um den Staatshaushalt zu sanieren bzw um den Staat zahlungsfähig, zu halten.
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Wie die DDR mit Häftlingen Devisen verdiente.
Die Textspalte soll verdeutlichen, dass der Häftlingsfreikauf ein Thema zwischen Menschlichkeit, Devisen und Politik ist.
Die Materialspalte ist illustrativ angelegt:
- Ausreisegefängnis Chemnitz
- Busse
- Entlassungsschein
Wir haben für Dich aufgrund deines Profils einen geführten Durchgang durch das Thema „Repression – auf Dauer nicht aushaltbar“ vorbereitet. Wenn dich zusätzlich noch ein anderes Kapitel interessiert, klick es an!
Am Ende solltest du dich mit dem Abschlusskapitel befassen.
Dort bekommst du nicht nur eine kurze Zusammenfassung zu Repressionen in der DDR.
Du erfährst auch, wie Menschen, für die die Repressionsmaßnahmen ihres Staates nicht mehr aushaltbar waren, zu „Motoren der Veränderung“ wurden. Wir stellen Dir dazu das Beispiel der BLUES-Messen in einer Berliner Kirche vor.
Dass es Dir nützt, Dich mit Repression in einer Diktatur auseinandergesetzt zu haben, verdeutlichen wir zum Schluss am „Heißen Thema“ Polizeigewalt bei uns in Deutschland.
Sei gespannt!