Begrenzte Freizügigkeit

Urlaubsreisen innerhalb der DDR

Wie beliebt Urlaubsreisen waren
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Das Erholungsheim Waterkant
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Wer bekommt die begehrten subventionierten Urlaubsplätze?

Die Bürger*innen der DDR machten zumeist im eigenen Land Urlaub. Das war aufgrund der Beschränkungen für Reisen ins Ausland nicht verwunderlich. Aber auch im eigenen Land waren Urlaubsreisen nicht ohne Weiteres möglich. Hinderlich waren nicht nur knappe Ferienplätze an den beliebten Urlaubsorten oder Einschränkungen durch die Sperrgebiete an der Grenze nach Westen. Zusätzliche Probleme brachte das staatliche Vergabesystem mit sich.

Urlaubsplätze wurden in der DDR hauptsächlich durch den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) vergeben. Die Gewerkschaft funktionierte dabei wie ein Verteilzentrum für staatliche Sozialleistungen. Der Staat subventionierte günstige Urlaubsgelegenheiten massiv. Eine vierköpfige Familie konnte so für etwa 200 DDR-Mark zwei Wochen lang in einem staatlichen Erholungsheim Urlaub machen. Dafür musste man aber Essen im Schichtbetrieb und fest organisierte Ferienprogramme in Kauf nehmen.

Aufgrund der hohen Nachfrage konnte der FDGB nicht jeden Urlaubswunsch erfüllen und so gab es, je nach Beliebtheit der Urlaubsregion, viele Bewerbungen für die verfügbaren Plätze. Es war wenig transparent, wer den Platz schließlich bekam.

Transparenz

Wer bekommt die subventionierten Urlaubsplätze?

Diese Sektion widmet sich deskriptiv dem Urlaub im eigenen Land der DDR und beschreibt das Vergabesystem für die subventionierten Plätze für den Erholungsurlaub. Der FDGB war für die Vergabe zuständig. Transparenz für das Verfahren gab es nicht – die Annahme, dass Linientreue hilfreich sei, vertraten aber viele der Bewerber*innen.

Die Materialspalte illustriert:

  • Strandurlaub
  • Eines der großen FDGB-„Heime“ (= Hotels)
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Rose mit scharfen Dornen
Darstellung über die „Aktion Rose“
Aus einem Artikel des NDR:

„Am 10. März 1953 – nach nur einem Monat – werden 440 Hotels, Pensionen und Restaurants in das Volkseigentum der DDR überführt, deren Besitzer enteignet, 447 von ihnen festgenommen, 408 unter Vorwänden in Schnellverfahren verurteilt, viele zwangsausgesiedelt. Wegen Steuerhinterziehung, illegalen Einführens von Westwaren, Preisvergehen. Die Familie von Gerhard Gühler flieht damals in den Westen und verliert alles.“

Die Insel Vilm
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Das Traumziel Ostsee und wie es für den DDR-Tourismus „erschlossen“ wurde.

Urlaub am Meer war auch in der DDR ein Tourismusmagnet. Eines der beliebtesten Reiseziele war die Ostsee. Die Partei hatte deshalb schon früh versucht, die volle Kontrolle über die Ferienplätze an der Ostsee zu erlangen. 1953 wurde eine große Enteignungsaktion durchgeführt, um die privaten Ferienunterkünfte am Meer zu verstaatlichen. Die Enteignungen wurden zum Teil auf abstruse Weise legitimiert: Der nachfolgend zitierte Befehl schuf die Grundlage:

„Im gesamten Küstengebiet der DDR findet in der Zeit vom 10.2. bis 10.3.1953 eine Überprüfung sämtlicher Besitzer und Pächter von Hotels und Pensionen statt. Es liegen Hinweise vor, dass von diesen Besitzern seit Jahren ständig gegen die Gesetze der DDR verstoßen wird. Diese Verstöße finden ihren Ausdruck in dem Verkauf von illegal eingeführten Westwaren, Verkauf von bezugsbeschränkten Waren ohne Markenabgabe zu überhöhten Preisen, in Wirtschaftsverstößen schlechthin. Darüber hinaus besteht der begründete Verdacht, dass die Besitzer dieser Hotels und Pensionen mit den Agentenzentralen des amerikanischen Imperialismus in Westberlin und Westdeutschland in Verbindung stehen und für dieselben arbeiten.“

https://www.deutschlandfunk.de/klassenkampf-an-der-ostsee-die-aktion-rose-100.html

440 Hotels und Pensionen wurden enteignet, 181 Gaststätten, dazu Wohnhäuser und Wirtschaftsbetriebe – vom Strandkorbbau bis zur Holzfabrik, Immobilien im Wert von 30 Millionen Mark. Konfisziert wurde außerdem 1,6 Mio. Bargeld und Schmuck im Wert von ca. 300.000 Mark.
447 Personen kamen in Untersuchungshaft, 407 wurden verurteilt. 219 der enteigneten Personen entzogen sich durch Flucht in den Westen der Verhaftung. Insgesamt 1.000 Familienangehörige mussten ihr Zuhause verlassen und in fremde Orte umziehen.

Historischer Kontext

Darstellung über die „Aktion Rose“:

Am 10. März 1953 – nach nur einem Monat – werden 440 Hotels, Pensionen und Restaurants in das Volkseigentum der DDR überführt, deren Besitzer enteignet, 447 von ihnen festgenommen, 408 unter Vorwänden in Schnellverfahren verurteilt, viele zwangsausgesiedelt. Wegen Steuerhinterziehung, illegalen Einführens von Westwaren, Preisvergehen. Die Familie von Gerhard Gühler flieht damals in den Westen und verliert alles.

https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Aktion-Rose-Enteignungswelle-an-der-DDR-Ostseekueste-1953,aktionrose101.html

Transparenz

Traumziel Ostsee und wie es für den DDR Tourismus „erschlossen“ wurde.

Den Schwerpunkt dieser Sektion bildet die Enteignungsaktion „Rose“ in den Ostseebädern, durch die mehr als 500 Hotels, Pensionen, Gasthäuser in den Besitz des FDGB (vereinzelt auch der Volkspolizei und der späteren Nationalen Volksarmee) gelangten – die zukünftigen Ferienorte des FDGB. Betont wird dabei, dass die Enteignungen mit Verhaftungen, Umsiedlungen, Konfiszierungen von Bargeld und Schmuck einhergingen.

Materialspalte:

  • Bericht über die Aktion Rose (Deutschlandfunk). Dort erfolgen Konkretisierungen, u.a. zur Realisierung der Enteignungen durch Polizeikräfte und die Beteiligung eines SED-abhängigen Justizapparats an den Verurteilungen.
  • Eine Fotografie eines enteigneten Hotels illustriert die Enteignungen.
  • Eine Fotographie der Ostseeinsel Vilm bei Rügen, die für die Würdenträger und verdienten Mitglieder der Staatsführung reserviert war.
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Das Dachzelt
Viel häufiger
Camptourist
Die meisten Camper
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Warum war Camping so beliebt?

Camping war laut Stefan Wolle nicht nur die Notlösung, wenn einem kein Platz durch den FDGB-Feriendienst zugewiesen worden ist.

„Gerade junge Leute zog es hinaus in die Natur. Zelten war individueller und abenteuerlicher als so ein Gewerkschaftsheim, wo um zehn Uhr Nachtruhe angeordnet war. Wer etwas erleben wollte, hatte auf dem Zeltplatz mehr Möglichkeiten. An der Ostsee gab es nicht nur die beliebten Nacktbadestrände, sondern auch sonst viel frohes Jugendleben und wenig Kontrolle.“

https://www.superillu.de/magazin/heimat/ddr/lebensart/campen-zur-ddr-zeit-127

Im ganzen Land gab es gut fünfhundert Campingplätze, die aber den hohen Bedarf an Stellplätzen auch nicht immer decken konnten. Meist waren sie sehr einfach, mit Waschmöglichkeiten im Freien und Gemeinschafts-Toilette. Weil die Planwirtschaft es oft nicht schaffte, „den alljährlichen sommerlichen Ansturm der Urlauber zu planen“ (Wolle), brachten viele Camper alles von zuhause mit.

Historischer Kontext

Darstellung zum Camping in der DDR:

Im Küstenstreifen zu campieren hieß zudem Urlaub machen im Grenzgebiet. Da war weniger erlaubt als im Landesinneren (etwa keine Boote für die offene See). Und der Urlauber stand unter ständiger Kontrolle staatlicher und gesellschaftlicher Kräfte. Es bestand ja permanente Fluchtgefahr!

Auch in anderen touristischen Schwerpunktgebieten überstieg die Nachfrage die Kapazitäten der Plätze, ohne dass es dafür eine zentrale Anmeldestelle gegeben hätte. Ansonsten war die Quantität der Plätze nicht das große Problem – aber mit der Qualität haderten viele Zeltler. Die Plätze verfügten über minimalen Komfort, warmes Wasser war weitgehend unbekannt, die Toiletten zum Abgewöhnen, und Stromanschlüsse glichen Lottogewinnen. Wenn vorhanden, dann schnell überlastet und stark störanfällig.

Für ein Campen außerhalb der Landesgrenzen standen nur die Richtungen Ost oder Südost zur Auswahl. Beliebte Reisegebiete waren die Tschechoslowakei (Hohe Tatra, Böhmerwald, Prag), Ungarn (Plattensee, Budapest) sowie Rumänien und Bulgarien (Schwarzes Meer).

https://www.caravaning.de/neuheiten/rueckblick-camping-ddr/#:~:text=Camping%20h%C3%B6rte%20sich%20nach%20Westen,dann%20auch%20offiziell%20Camping%20betrieben.

Transparenz

Warum war Camping so beliebt?

Ins Zentrum wird der DDR Historiker und wissenschaftliche Leiter des DDR Museums Stefan Wolle gerückt, der die mit Camping verbundenen Freiheiten betont.

Die Materialspalte illustiert mit den Trabi-Dachzelt und dem Camptourist DDR Besonderheiten dar, die jedoch das obere Ende des DDR-Campingtourismus beschreiben, also nur Priviligierten zustand. Das Foto vom Zeltplatz steht für die Normalität.

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dieDie Autorin Claudia Rusch

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Michael Funke und seine Freunde
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Michael Funke und seine Freunde
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Auf eigene Faust – Kleine Triumphe gegen das System

Sich Alternativen zum organisierten Tourismus zu suchen, war nicht nur eine Notlösung, sondern auch ein Stück Freiheit: Weit verbreitet war Urlaub bei Verwandten.

Es gab aber auch andere Formen von Eigeninitiative: wildes Campen, Couchsurfen bei Bekannten, manchmal auch Tricks, um den Reglementierungen bei Auslandsreisen zu entkommen. In der Erinnerung werden solche Urlaubsgeschichten nicht selten als Triumph über das System im Kleinen erzählt. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass erst die extremen Beschränkungen der Freizügigkeit und die übermäßige Regulierung der Bürger*innen diese Formen des Aufbegehrens geschaffen hatten.

Transparenz

Auf eigene Faust – Kleine Triumphe gegen das System

Hier geht es um Alternativen zum organisierten Tourismus, wie Urlaub bei Verwandten, und um Formen von Eigeninitiativen, die nahe an Illegalität kamen. Wichtig ist der Gedanke, dass es der Staat mit den extremen Beschränkungen der Freizügigkeit und die übermäßige Regulierung war, der solche Vorgehensweisen erzwang. Das geht in positiven Rückerinnerungen an schöne Urlaubserlebnisse von Zeitzeug*innen manchmal verloren.

Die Materialspalte konkretisiert an Beispielen:

  • Die Urlaubserfahrung einer Zeitzeugin als Jugendliche.
  • Die illegale Russlanddurchreise von Michael Funke und seinen Freunden mithilfe kreativer Tricksereien.

Auswahl der Unterthemen

Nächstes Kapitel

Wir empfehlen dir, mit diesem Kapitel weiter zu machen.

Alternativ kannst du weiter unten auch direkt zu einem anderen Kapitel springen, das dich interessiert.

Wir haben eine Auswahl an Kapiteln getroffen, die besonders gut zu deiner Profilauswahl passen, die du am Anfang gemacht hast.

Du kannst jederzeit gerne nach unten scrollen und dir die übrigen Kapitel des Themas ansehen.

Das Abschlusskapitel solltest du aber auf keinen Fall verpassen, weil es die einzelnen Aspekte des Themas noch einmal zusammenfasst.

Kapitel Begrenzte Freizügigkeit

Begrenzte Freizügigkeit – Wenn man immer und überall an Grenzen stößt

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Einsperren! – als Maßnahme gegen ausrei(s/ß)en

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In der Anfangszeit der DDR verlassen hunderttausende Menschen das Land in Richtung Westen. Kann die Mauer sie davon abhalten?

Zwangsumsiedlungen in der DDR

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Freizügigkeit meint auch die freie Wahl des Aufenthaltsortes. In der DDR aber wurden Menschen gegen ihren Willen umgesiedelt, um die Grenze zu sichern.

Freizügig? Reisen in sozialistische Bruderländer

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